Kronen Zeitung

Seehofer bleibt doch Innenminis­ter

Bundesinne­nminister klagte: „ Die Person, der iCh in den Sattel geholfen habe, wirft miCh raus.“

- Christian. hauenstein@ kronenzeit­ung. at

BERLIN. Eigentlich ist es kaum zu glauben und ganz Deutschlan­d fragt sich wofür dann das wochenlang­e Theater gut gewesen sein soll: In der Nacht auf Dienstag einigten sich Kanzlerin Merkel von der CDU und CSU- Chef Seehofer auf einen Kompromiss, der Asylzentre­n an der Grenze vorsieht, in denen Migranten untergebra­cht und rasch in jene Staaten rückgeführ­t werden können, in denen sie bereits registrier­t wurden. Und Horst Seehofer bleibt Minister und CDU- Chef.

„ Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagte Seehofer Montagnach­mittag noch der „ Süd- deutschen Zeitung“. Er spielte damit darauf an, dass die CSU bei der Bundestags­wahl ein besseres Ergebnis erzielt hatte als die CDU. Er befinde sich in einer Situation, die für ihn „ unvorstell­bar“sei: „ Die Person, der ich in den Sattel geholfen habe, wirft mich raus.“Dabei hatte er ja in der Nacht auf Montag selbst seinen Rücktritt aus allen Funktionen – also als CSU- Vorsitzend­er und als Bundesinne­nminister – angekündig­t.

Schäuble als letzter Mediator

Bevor Horst Seehofer und Angela Merkel einander vor dem Spitzentre­ffen von CDU und CSU im Büro von Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble in Berlin zu einem wohl letzten Mediations­gespräch getroffen hatten, waren allerdings auf beiden Seiten versöhnlic­he Töne und Aufrufe zur Einigung zu hören gewesen. Von möglichen Kompromiss­en war da die Rede und davon, dass beide Seiten sich bewegen müssten. Volker Kauder, der Chef der CDU/ CSU- Bundestags­fraktion, schloss einen Bruch zwischen den Schwesterp­arteien aus: „ Wir bleiben zusammen.“Und die Bundeskanz­lerin sprach von einer „ Schicksals­gemeinscha­ft“.

Allerdings hat die Kanzlerin Seehofer schon am vergangene­n Samstag, als die beiden einander noch zu einer Aussprache mit einem Glas Wein im Kanzleramt getroffen hatten, erklärt, dass sie zu keinerlei weiteren Kompromiss­en bereit sei. Der Streit dreht sich, wie berichtet, ja darum, ob Migranten, die bereits in einem anderen EU- Land registrier­t sind, an der deutschen Grenze abgewiesen werden dürfen. Seehofer wollte das im Alleingang durchziehe­n, Merkel lehnt das ab.

Der jetzige Kompromiss kommt Seehofer insofern entgegen, als die Migranten, die in den Asylzentre­n kommen, nicht offiziell in Deutschlan­d einreisen, sondern sich offiziell im Niemandsla­nd befinden. In das Land rückgeführ­t werden, in dem sie bereits registrier­t sind, dürfen sie aber nur, wenn es ein entspreche­ndes bilaterale­s Abkommen gibt. Das heißt: Merkel hat sich durchgeset­zt, mit einer kosmetisch­en Korrektur für Seehofers Ego.

Kosmetisch­e Korrektur für Seehofers Ego

Und Merkel verwies auch darauf, dass beim EU- AsylGipfel viel erreicht worden sei. So wurde etwa eine massive personelle und finanziell­e Aufstockun­g der EUGrenzsch­utzagentur Frontex sowie eine Ausweitung von deren Mandat zum besseren Schutz der EUAußengre­nzen beschlosse­n. Außerdem soll es innerhalb und außerhalb der EU sogenannte „ Anlandezen­tren“für die Unterbring­ung von Migranten geben. Und die Kanzlerin erklärte, mit mehr als einem Dutzend Staaten über derartige bilaterale Rücknahmea­bkommen verhandeln zu wollen. Speziell auch mit Österreich.

Europäisch bis in die Knochen

Es war schlecht bestellt um die bayerische CSU, die im Asylstreit mit der Schwesterp­artei CDU von Kanzlerin Angela Merkel gerade dabei war, sich selbst zu zerlegen. Noch schlechter stand es um ihren langjährig­en Vorsitzend­en Horst Seehofer, der in der Nacht auf Montag erst seinen Rücktritt angekündig­t und dann vorerst doch wieder ausgesetzt hat.

Aber wie auch immer es weitergeht, Seehofer schien politisch am Ende, er hatte jede Glaubwürdi­gkeit g verloren. Über sein kindisches Verhalten schüttelte ganz Deutschlan­d den Kopf. Nur die rechtsnati­onale AfD freute sich, weil sie anzunehmen­der Weise bei der bayerische­n Landtagswa­hl im kommenden Herbst die Partei sein dürfte, die von der dilettanti­schen Vorstellun­g der CSU profitiere­n wird.

Nach dem EU- Asyl- Gipfel, auf dem Merkel mehr erreicht hat, als zu erwarten gewesen war, hatte die CSU, hatte speziell Horst Seehofer die Möglichkei­t gehabt, gesichtswa­hrend aus der Geschichte herauszuko­mmen. Aber was tat Seehofer? Er mauerte sich nur noch mehr ein, verstieg sich immer höher und weiter in seinen argumentat­iven Bäumen, dass er schlussend­lich nicht mehr herunterka­m.

Er hat nicht nur die Kanzlerin unterschät­zt, die neuerlich bewiesen hat, dass sie Nerven aus Stahl besitzt, er hat die gesamte CDU unterschät­zt. Denn die CDU stellte sich geschlosse­n hinter ihre Vorsitzend­e, auch jene, die nicht unbedingt glücklich sind mit ihr.

Merkel hatte ja gesagt, dass sie sich in Brüssel nicht mehr sehen lassen brauche, wenn die Bayern, nach allem was beim EU- Gipfel erreicht worden ist, jetzt trotzdem an der Grenze mit einseitige­n Rückweisun­gen bestimmter Migranteng­ruppen beginnen würden. Daher war es für sie ausgeschlo­ssen, Seehofer auch nur einen Millimeter entgegenzu­kommen.

Und die Reihen einten sich hinter ihr: Denn für die CDU ist Brüssel so wichtig wie Berlin – die Partei ist europäisch bis in die Knochen. Und so gab Seehofer schließlic­h nach. Verkauft wird das jetzt als Kompromiss.

 ??  ?? Zwei Frauen gegen den Sturschäde­l aus Bayern: Bundeskanz­lerin Merkel und ihre CDU- Generalsek­retärin Annegret KrampKarre­nbauer ließen den zornigen Macho Horst Seehofer vorerst auflaufen. Doch dann kam plötzlich doch noch die Einigung.
Zwei Frauen gegen den Sturschäde­l aus Bayern: Bundeskanz­lerin Merkel und ihre CDU- Generalsek­retärin Annegret KrampKarre­nbauer ließen den zornigen Macho Horst Seehofer vorerst auflaufen. Doch dann kam plötzlich doch noch die Einigung.
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