Seehofer bleibt doch Innenminister
Bundesinnenminister klagte: „ Die Person, der iCh in den Sattel geholfen habe, wirft miCh raus.“
BERLIN. Eigentlich ist es kaum zu glauben und ganz Deutschland fragt sich wofür dann das wochenlange Theater gut gewesen sein soll: In der Nacht auf Dienstag einigten sich Kanzlerin Merkel von der CDU und CSU- Chef Seehofer auf einen Kompromiss, der Asylzentren an der Grenze vorsieht, in denen Migranten untergebracht und rasch in jene Staaten rückgeführt werden können, in denen sie bereits registriert wurden. Und Horst Seehofer bleibt Minister und CDU- Chef.
„ Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagte Seehofer Montagnachmittag noch der „ Süd- deutschen Zeitung“. Er spielte damit darauf an, dass die CSU bei der Bundestagswahl ein besseres Ergebnis erzielt hatte als die CDU. Er befinde sich in einer Situation, die für ihn „ unvorstellbar“sei: „ Die Person, der ich in den Sattel geholfen habe, wirft mich raus.“Dabei hatte er ja in der Nacht auf Montag selbst seinen Rücktritt aus allen Funktionen – also als CSU- Vorsitzender und als Bundesinnenminister – angekündigt.
Schäuble als letzter Mediator
Bevor Horst Seehofer und Angela Merkel einander vor dem Spitzentreffen von CDU und CSU im Büro von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in Berlin zu einem wohl letzten Mediationsgespräch getroffen hatten, waren allerdings auf beiden Seiten versöhnliche Töne und Aufrufe zur Einigung zu hören gewesen. Von möglichen Kompromissen war da die Rede und davon, dass beide Seiten sich bewegen müssten. Volker Kauder, der Chef der CDU/ CSU- Bundestagsfraktion, schloss einen Bruch zwischen den Schwesterparteien aus: „ Wir bleiben zusammen.“Und die Bundeskanzlerin sprach von einer „ Schicksalsgemeinschaft“.
Allerdings hat die Kanzlerin Seehofer schon am vergangenen Samstag, als die beiden einander noch zu einer Aussprache mit einem Glas Wein im Kanzleramt getroffen hatten, erklärt, dass sie zu keinerlei weiteren Kompromissen bereit sei. Der Streit dreht sich, wie berichtet, ja darum, ob Migranten, die bereits in einem anderen EU- Land registriert sind, an der deutschen Grenze abgewiesen werden dürfen. Seehofer wollte das im Alleingang durchziehen, Merkel lehnt das ab.
Der jetzige Kompromiss kommt Seehofer insofern entgegen, als die Migranten, die in den Asylzentren kommen, nicht offiziell in Deutschland einreisen, sondern sich offiziell im Niemandsland befinden. In das Land rückgeführt werden, in dem sie bereits registriert sind, dürfen sie aber nur, wenn es ein entsprechendes bilaterales Abkommen gibt. Das heißt: Merkel hat sich durchgesetzt, mit einer kosmetischen Korrektur für Seehofers Ego.
Kosmetische Korrektur für Seehofers Ego
Und Merkel verwies auch darauf, dass beim EU- AsylGipfel viel erreicht worden sei. So wurde etwa eine massive personelle und finanzielle Aufstockung der EUGrenzschutzagentur Frontex sowie eine Ausweitung von deren Mandat zum besseren Schutz der EUAußengrenzen beschlossen. Außerdem soll es innerhalb und außerhalb der EU sogenannte „ Anlandezentren“für die Unterbringung von Migranten geben. Und die Kanzlerin erklärte, mit mehr als einem Dutzend Staaten über derartige bilaterale Rücknahmeabkommen verhandeln zu wollen. Speziell auch mit Österreich.
Europäisch bis in die Knochen
Es war schlecht bestellt um die bayerische CSU, die im Asylstreit mit der Schwesterpartei CDU von Kanzlerin Angela Merkel gerade dabei war, sich selbst zu zerlegen. Noch schlechter stand es um ihren langjährigen Vorsitzenden Horst Seehofer, der in der Nacht auf Montag erst seinen Rücktritt angekündigt und dann vorerst doch wieder ausgesetzt hat.
Aber wie auch immer es weitergeht, Seehofer schien politisch am Ende, er hatte jede Glaubwürdigkeit g verloren. Über sein kindisches Verhalten schüttelte ganz Deutschland den Kopf. Nur die rechtsnationale AfD freute sich, weil sie anzunehmender Weise bei der bayerischen Landtagswahl im kommenden Herbst die Partei sein dürfte, die von der dilettantischen Vorstellung der CSU profitieren wird.
Nach dem EU- Asyl- Gipfel, auf dem Merkel mehr erreicht hat, als zu erwarten gewesen war, hatte die CSU, hatte speziell Horst Seehofer die Möglichkeit gehabt, gesichtswahrend aus der Geschichte herauszukommen. Aber was tat Seehofer? Er mauerte sich nur noch mehr ein, verstieg sich immer höher und weiter in seinen argumentativen Bäumen, dass er schlussendlich nicht mehr herunterkam.
Er hat nicht nur die Kanzlerin unterschätzt, die neuerlich bewiesen hat, dass sie Nerven aus Stahl besitzt, er hat die gesamte CDU unterschätzt. Denn die CDU stellte sich geschlossen hinter ihre Vorsitzende, auch jene, die nicht unbedingt glücklich sind mit ihr.
Merkel hatte ja gesagt, dass sie sich in Brüssel nicht mehr sehen lassen brauche, wenn die Bayern, nach allem was beim EU- Gipfel erreicht worden ist, jetzt trotzdem an der Grenze mit einseitigen Rückweisungen bestimmter Migrantengruppen beginnen würden. Daher war es für sie ausgeschlossen, Seehofer auch nur einen Millimeter entgegenzukommen.
Und die Reihen einten sich hinter ihr: Denn für die CDU ist Brüssel so wichtig wie Berlin – die Partei ist europäisch bis in die Knochen. Und so gab Seehofer schließlich nach. Verkauft wird das jetzt als Kompromiss.