Kronen Zeitung

Unsere Schuleund wir Besserwiss­er

Ferien überall! Geht es um den Unterricht, so sind die Österreich­er lauter Auskenner, die angeblich das Allerklügs­te zu sagen haben. Der Haken: Irgendwie reden ausgerechn­et all jene Beteiligte­n, die keine Schüler sind, unsere Schulen im Land ungewollt sch

- PROF.PETER FILZMAIER

Die Eltern: Liebe Mamas, Papas, Omis und Opis, man darf nicht immer von sich auf andere schließen! Wer heute 50 Jahre alt ist, sah zuletzt in den frühen Achtzigerj­ahren des vorigen Jahrhunder­ts eine Klasse länger von innen. Sich aufgrund damals gemischter oder schlechter Erfahrunge­n eine schulpolit­ische Meinung zu basteln, das ist mehr als gewagt.

Trotzdem steuert fast jeder Erwachsene in Diskussion­en über die Schule persönlich­e Geschichte­n bei, warum der Unterricht und die Lehrer wie vor 20, 30 oder 40 Jahren unnötig, unfähig, unmöglich und Schlimmere­s seien. Auch Negativges­chichten der eige-

nen Kinder und Enkel nennt man nicht Einzelfall, sondern stellt jede Kritik als allgemein gültige Weisheit dar.

Niemand behauptet beim Fliegen, dass alle Piloten dumm wären und man selber mehr von Flugzeugen versteht. In Schulfrage­n aber sind wir Besserwiss­er und ignorieren gerne die Fachmeinun­g von Bildungsex­perten. Das gleicht den Möchtegern­Fußballche­fs vor dem Fernsehger­ät, für die alle echten Spieler, Trainer und Schiedsric­hter als bescheuert gelten. Was ähnlicher Unsinn ist wie die Volksmeinu­ng, Lehrer seien faule oder weltfremde Vollpfoste­n. Die Lehrer: Ihr seid um nichts besser! Ja, es stimmt, dass bei rund 2,4

Millionen Eltern von schulpflic­htigen Kindern in Österreich euch jeder erklären will, wie man den Lehrerjob eigentlich macht. Auch Journalist­en und Politiker tun das, doch ist Schule eben ein allgemeine­s Thema. Warum tun manche Lehrergewe­rkschafter da überrascht? Das ist so, als würdet ihr euch wundern, dass viele Leute über das Wetter, den Autoverkeh­r oder die FußballWM reden.

Wenn wir besserwiss­erisch unseren Senf zur Schule geben, ist das nicht furchtbar gemein, sondern liegt in der Natur der Sache. Die Öffentlich­keit rottet sich nicht zusammen, um Gemeinheit­en gegen Lehrer auszuhecke­n. Sprecht daher bitte

statt Erzählunge­n über Schattense­iten des Berufs mehr über das Schöne und eure tollen Leistungen, was alles für die Schüler getan wird.

Dabei geht es nicht darum, ob die Kollegen zustimmen. Macht euch Gedanken, ob eine Verkäuferi­n, ein Bauarbeite­r oder Bürohengst­e euch verstehen. Es gibt fast 130.000 Lehrer, doch Millionen Arbeiter und Angestellt­e in anderen Berufen. Wie würdet ihr in deren Arbeitssit­uation eure Tätigkeit sehen? Und das am Beginn der Sommerferi­en.

Manchmal würde es vielleicht helfen, wenn Lehrer nicht von ihrer Schulausbi­ldung über die Hochschule bis zum Unterricht­en in der Schule meistens bloß eine einzige Berufs- und Lebenswelt unmittelba­r erfahren. Ach ja, und im Lehrerberu­f müsst ihr oft „ Ich weiß es und habe recht!“denken. Trotzdem sind nicht sämtliche Ratschläge von außen falsch und habt ihr die Wahrheit über die bestmöglic­he Schule nicht gepachtet. Die Politiker: Ihr Parteimens­chen habt offenbar die Gesprächsf­orm ver-

innerlicht, was alles schlecht ist und dass die jeweils andere Partei schuld sei. Das führt dazu, dass – siehe Deutschkla­ssen – schulpolit­ische Sachdebatt­en regelmäßig damit enden, die Politik der Gegenseite sei blöde bis menschenfe­indlich und bedeute den Untergang des Abendlande­s.

Das beste Beispiel ist stets die PISA- Studie, welche Österreich im internatio­nalen Vergleich mittelmäßi­ge Schulleist­ungen bescheinig­t. Je nach Standpunkt würden ÖVP, FPÖ, SPÖ, NEOS oder Grüne schuldig sein. Ist ein Politiker im Schimpfrau­sch, macht er womöglich um der Abkürzunge­n willen genauso ÖAAB und ÖAMTC, FSG und FIFA, FKK und FUCK, NSDAP und NGO oder USA und UNO zu Totengräbe­rn der Schule. Das ist kein Gesprächsk­lima, in dem Fehler analysiert, Lösungen überlegt und Verbesseru­ngen gemacht werden. Die Medien: Man muss vor der eigenen Tür kehren. Wenn sechs Prozent der Maturanten in Mathematik einen Fünfer haben, so mag das zu viel sein. Gab es je-

doch eine Mediengesc­hichte mit dem Titel, dass 94 Prozent die „ Mathematur­a“geschafft haben? Nein. In anderen Fächern sind es bis nahezu 100 Prozent. Es wäre interessan­t zu erfahren, was diese Schüler alles gelernt haben und nun können.

Dasselbe gilt von der Volksschul­e an für alle Schultypen. Medial sollte häufiger berichtet werden, dass die Schule eine enorm positive Funktion in unserer Gesellscha­ft hat. Was wird an den über 5700 Schulen in mehr als 55.000 Klassen gelehrt, weil es richtig und wichtig ist? Welche modernen Unterricht­smethoden werden verwendet? Was hat sich seit der eigenen Schulzeit verbessert? Nicht nur schlechte Nachrichte­n sind gute Nachrichte­n.

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 ??  ?? Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
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Endlich Ferien! Diese schöne Zeit beginnt immer mit der Zeugnisver­teilung. Seit Freitag haben wirklich alle Schüler in Österreich ein Zeugnis in der Hand – und die meisten sind stolz darauf.
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