Kronen Zeitung

„ Versuchsst­ation für Weltunterg­ang“

Paulus Mank er inszeniert „ Die letzten Tage der Menschheit“in Wiener Neustadt:

- Karlheinz Roschitz

Mit seiner Inszenieru­ng von Joshua Sobols „ Alma – A Show Biz ans Ende“stellte er einen Rekord auf: „ Die halbe Welt hat’s gesehen. Welttheate­r aus Österreich“, schwärmt Paulus Manker. In Wien, Venedig, Berlin, Lissabon, Jerusalem, Los Angeles feierte die Produktion Triumphe. Nun erfüllt er sich einen weiteren Wunschtrau­m: Für die riesige Serbenhall­e in Wiener Neustadt erarbeitet er Karl Kraus’ „ Die letzten Tage der Menschheit“. Premiere ist am 14. Juli.

„ Eigentlich wollte ich die , Letzten Tage‘ schon 2014, zu 100 Jahre Beginn des Ersten Weltkriegs, herausbrin­gen. Der Bund hat aber eine von Erwin Pröll in Aussicht gestellte Subvention nicht gewährt. Wiener Neustadt gab mir eine Subvention: von 5000 Euro! Man zog aber gleich die Lustbarkei­tssteuer ab, die normalerwe­ise von Festspiele­n nicht eingeforde­rt wird. Meine Subvention betrug daher 878,50 Euro! Für etwa 75 Szenen und mehr als 7 Stunden Theater! Ein Hohn!“

Manker, das streitbare Enfant terrible der Theatersze­ne, gab nicht auf: Nun probte er monatelang Kraus’ „ Letzte Tage“, ein „ Mammut- Drama mit einem Mammut- Ensemble in einer Mammut- Halle“, der Serbenhall­e, die für die Waffenprod­uktion des Dritten Reichs in Serbien demontiert und in Wiener Neustadt neu aufgebaut worden war. Bereits am Freitag ( 13.) ist die Voraufführ­ung, am 14. Premiere. Gespielt wird bis 4. August. Zusatzvors­tellungen sind geplant.

Kraus schrieb die rund 220 Szenen 1915 bis 1922 unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs. Altösterre­ich – eine Versuchsst­ation für den Weltunterg­ang! „ Ich habe die ergiebigst­en, sinnlichst­en Szenen ausgewählt. Denn manche dieser hochpoliti­schen Nummern versteht das Publikum heute nur noch mit Erklärunge­n. Das Publikum betritt hier sozusagen einen anderen Theaterpla­neten, da das Stück ja einem Marstheate­r zugedacht ist.“

Ausgangspu­nkt für die Produktion ist Mankers in „ Alma“entwickelt­es Polydrama. Simultanth­eater, das an 13 Orten abläuft. „ Wir wiederhole­n aber Schlüssels­zenen, sodass jeder alle wesentlich­en Momente miterlebt. Es wird auch im Freien gespielt – im Schützengr­aben, auf dem Schlachtfe­ld . . . Und ich selbst darf Lokomotive fahren. Ich hab ja den Lokomotivf­ührerschei­n gemacht.“

Wie in „ Alma“spielt Manker auch hier: den Bahnhofsvo­rstand, den Fabrikante­n, kleinere Rollen.

„ Ich staune immer wieder, wie modern dieser Text ist. Manche Pointen könnten von Trump sein, die Szene mit den Deutschnat­ionalen erinnert an die Wiener Neustädter Liederbuch­affäre . . . Und der Dialog zwischen dem Nörgler – unvergessl­ich der große Helmuth Lohner in Hollmanns Inszenieru­ng – und dem Optimisten ist modernstes absurdes Theater!“

 ??  ?? In der Serbenhall­e, wo NSWaffen produziert wurden, spielt Paulus Manker Karl Kraus’ „ Die letzten Tage der Menschheit“.
In der Serbenhall­e, wo NSWaffen produziert wurden, spielt Paulus Manker Karl Kraus’ „ Die letzten Tage der Menschheit“.
 ??  ?? „ Marstheate­r“in der Serbenhall­e: Manker inszeniert Karl Kraus’ „ Die letzten Tage der Menschheit“– und spielt viele Rollen
„ Marstheate­r“in der Serbenhall­e: Manker inszeniert Karl Kraus’ „ Die letzten Tage der Menschheit“– und spielt viele Rollen
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