Kronen Zeitung

Hinter den Kulissen

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Regelmäßig wird bei westlichen Politikern eingemahnt, sie sollten sich bei Besuchen in China und anderen Staaten mit teilweise zweifelhaf­ter Reputation für Menschenre­chte einsetzen. Und zwar möglichst lautstark, öffentlich und deutlich. Tun sie das dann nicht in dieser Form, ist ihnen ein Rüffel gewiss.

Dabei ist das lautstarke Auftreten für Dinge, die uns selbstvers­tändlich erscheinen, wie eben die Einhaltung der Menschenre­chte, zumeist der falsche Weg. Wird eine Regierung öffentlich abgekanzel­t, wird sie nicht nachgeben, da dies dem Eingeständ­nis eines Fehlers gleichkomm­en würde. Noch viel mehr trifft das für politische Systeme zu, die sich des Problems gar nicht bewusst sind, weil individuel­le Menschenre­chte für sie nicht die Bedeutung haben wie für uns. Weil ihnen etwa das Wohl des Kollektivs wichtiger ist als das Wohl des Einzelnen – wie das etwa in China der Fall ist. Gibt der wirtschaft­liche Erfolg diesen Regierunge­n auch noch scheinbar recht, wird es noch schwierige­r, ihnen etwas abzutrotze­n.

Dennoch ist es der deutschen Kanzlerin Angela Merkel jetzt gelungen, die Freilassun­g und Ausreise von Liu Xia zu erreichen. Die Ehefrau des vor einem Jahr in der Haft verstorben­en Bürgerrech­tlers und Friedensno­belpreistr­ägers Liu Xiaobo stand seit acht Jahren in ihrer Wohnung in Peking unter Hausarrest. Ihr einziges Verbrechen war ihre Liebe zu ihrem Mann, der von der chinesisch­en Führung als Staatsfein­d betrachtet wurde.

Einen Tag nach dem Besuch von Chinas Premier Li Keqiang konnte die unter schweren Depression­en leidende Frau jetzt in Richtung Deutschlan­d ausreisen. Die zähen Verhandlun­gen, die nun dazu geführt haben, wurden aber hinter den Kulissen geführt. Fern jeder Öffentlich­keit, damit keine Seite das Gesicht verliert. Schon gar nicht zu einem Zeit- punkt, wo China und Europa allen Unterschie­den und Zwisten zum Trotz im Handelskri­eg mit Trumps Amerika enger zusammenrü­cken.

Und so konnte Peking erklären, dass Liu Xias Ausreise nichts mit dem Besuch des Regierungs­chefs in Berlin zu tun habe . . .

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Liu Xia ( 57) mit einem Bild ihres Ehemannes Liu Xiaobo.
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