Kinder, die aus Angst einen Monat lang keinen Stift anfassen
Unterricht. Die Hälfte aller syrischen Flüchtlingskinder in Jordanien geht nicht zur Schule – Caritas-Projekte bieten Unterricht für Kinder
Keck behauptet die kleine Fatima mit Blick auf die neben ihr sitzende Asma: „Wir sind Freundinnen seit Kindheitstagen.“Weit zurückliegende Zeiten für die zwei siebenjährigen syrischen Mädchen. Wie es war damals, in ihrer Heimatstadt Homs, daran können sie sich die zwei Flüchtlingskinder kaum noch erinnern. Nur, dass Bomben fielen, alle Angst hatten und sie plötzlich weg mussten.
Seit fast drei Jahren sind die Mädchen im Nachbarland Jordanien. So wie fast alle syrischen Flüchtlingskinder hier, die im Caritas-Zentrum der Stadt Zarqa in diesen glutheißen Sommerferientagen die Schulbank drücken.
Der 14-jährige Eimen ist unendlich froh darüber. Seit mehr als zwei Jahren wartet der stille Jugendliche auf einen regulären Schulplatz in den heillos überfüllten Schulen Jordaniens. Bisher keine Chance. Nur etwa die Hälfte aller syrischen Flüchtlingskinder fand Aufnahme in den Unterrichtsstätten Jordaniens.
Drückende Not
Die anderen rund 70.000 Kinder sind zum Warten verurteilt. Inmitten schwindender Hoffnung, dass sich die Lage in Syrien bald bessern und die Familien nach Hause zurückkehren werden. Inmitten von drückender Armut, in der zwei Drittel aller 1,5 Millionen Flüchtlinge in Jordanien kaum überleben. Und inmitten quälender Erinnerungen. Seine Schwester, erzählt Eimen stockend, sei bei einem Bombenangriff daheim schwer verletzt worden, zwei seiner Cousins sah der Jugendliche sterben. Die UNO warnt bereits vor einer „verlorenen Generation“: syrische Kinder, die jahrelang keinen Zugang zu Schulen haben und irgendwann mangels Aussichten und Ausbil- dung in die Gewalt abzusinken drohen.
Im Caritas-Zentrum in Zarqa gibt es für hundert Kinder wieder Hoffnung. In Sommerschulkursen lernen Sechs- bis 14-Jährige so viel, dass sie einem regulären Schulunterricht wieder folgen könnten. Tausende Kinder haben auf diese Weise provisorischen Unterricht erhalten und dadurch auch wieder ein wenig Hoffnung geschöpft. Manchmal, erzählt Caritas-Mitarbeiterin Samar, „kommen die Kinder so traumatisiert zu uns, dass sie einen Monat lang keinen Stift anfassen oder sich vor der Schulglocke zu Tode erschrecken.“
Psychologische Hilfe wird den Kindern im CaritasZentrum ebenso geboten wie eine tägliche Schuljause. Ein Luxus, den viele der syrischen Flüchtlingskinder gar nicht zu essen wagen. Die meisten nehmen ihren Snack mit nach Hause und teilen ihn mit den Geschwistern. Denn Hunger ist bei fast allen syrischen Flüchtlingsfamilien in Jordanien ein ständiger Gast.
Behutsam und konsequent versuchen die CaritasMitarbeiter auch gegen den Krieg anzugehen, der noch immer in vielen Kinderköpfen tobt. Selbst unter den Allerkleinsten hören die Betreuerinnen oft die Frage: „Zu welchem Lager gehörst du? Zu Assad oder zu den Rebellen?“