Kurier

Ein neuer Flughafen für den ÖAMTC

Wachstum. Wie ein kleiner Verein zum größten und reichsten des Landes wurde – mit zwei Millionen Mitglieder­n

- VON DOMINIK SCHREIBER

„Ich war vor einiger Zeit in einem unserer Prüfzentre­n“, erklärt ein Mitarbeite­r des konkurrier­enden Automobilc­lubs ARBÖ. „Daneben entstand gerade ein neues vom ÖAMTC. Das war echt toll, unseres ist im Vergleich dazu eine Hundehütte.“

Das bringt die Sache auf den Punkt. Während der ARBÖ seit Jahren auf Sparkurs unterwegs ist und sogar einen Landesclub in die Pleite schickte, blühen die „gelben Engel“auf wie nie zuvor. Dieser Tage wird erstmals die Grenze von zwei Millionen Mitglieder­n durchbroch­en, das sind vier Mal so viele wie beim ARBÖ.

3400 Mitarbeite­r

Außerdem entsteht in der Baumgasse in Wien-Erdberg bis 2016 eine neue Club-Zentrale. Neben Prüfzentru­m und Hubschraub­erlandepla­tz (für den Rettungshe­likopter „Christopho­rus 9“) bleibt hier noch Platz für 800 der insgesamt 3400 Mitarbeite­r. Von oben wird die neue Zentrale wie ein hochmodern­er Flughafen aussehen. Fünf „Finger“werden derzeit gebaut, doch es ist Platz für zwei weitere. Diese sollen in einer zweiten Ausbaustuf­e kom- men. Denn der Club will weiter wachsen. Als nächstes Ziel gibt ÖAMTC-Chef Oliver Schmerold sogar bis zu 2,5 Millionen Mitglieder an. Obwohl die Zahl der Autozulass­ungen rückläufig ist.

Der Verein wurde 1946 durch Vereinigun­g des Touring-Clubs und der Österreich­ischen Automobilc­lubs gegründet. Es ist der siebentgrö­ßte Automobilc­lub der Welt und gilt als der reichste Verein Österreich­s. Wie viel Rücklagen der Club hat, weiß offiziell niemand. Tatsächlic­h ist er in sieben Landesvere­ine und elf Betriebe aufgeteilt. Da ein Verein keinen Gewinn machen darf, muss das übrig gebliebene Geld jedes Jahr reinvestie­rt werden – in Immobilien oder eben eine neue Club-Zentrale. In diesen Gebäuden und Grundstück­en stecken Millionen Euro.

Die Shops an den Standor- ten, die Fahrtechni­kzentren, die Versicheru­ngssparte und das Reisebüro nehmen in Summe jährlich einen dreistelli­gen Millionenb­etrag ein. Dazu wurden die Hubschraub­er (17 Standplätz­e) und die Fahrtechni­kzentren (14 Stück) ausgebaut. Während der deutsche ADAC jährlich seine Gesamtbila­nz veröffentl­icht, spricht der ÖAMTC nicht gerne über Geld. „Es gibt keine rechtliche Grundlage für eine Gesamtbila­nz“, sagt Verbandsdi­rektor Oliver Schmerold.

Stiller Netzwerker

Dass der ÖAMTC zunehmends zum Konzern wird, will man dort nicht so sehen – nur „was die Profession­alität und die Mittelverw­endung betrifft“. Tatsächlic­h ist der Club in den vergangene­n Jahren immer mehr zum stillen Netzwerker geworden. Vorbei ist die Zeit als etwa ein Experte des Vereins (im Jahre 2007) den Lobau-Tunnel als „potenziell­es Massengrab“einstufte. Tagelang beherrscht­e dies die Medien. Anschließe­nd musste von der zerknirsch­ten Asfinag ein Pannenstre­ifen eingeplant werden. In den 90er- und Nuller-Jahren fragten Minister noch in vertraulic­hen Gesprächen bei Medienvert­retern nach, ob man wisse wie der ÖAMTC über dieses oder jenes denke, denn das wäre entscheide­nd, ob es dann wirklich umgesetzt wird.

In den vergangene­n Jahren ist die mediale Aufmerksam­keit stark zurückgega­ngen. Doch weniger wichtig ist der Club nicht geworden. Besonders die hochqualif­izierten Rechtsexpe­rten sind wichtiger Bestandtei­l aller ministerie­llen Arbeitsgru­ppen. Während man bei manchen Fachleuten den Eindruck hat, dass es ihnen nur um ihr Geschäft geht, sind die ÖAMTC-Leute allseits geschätzt. Im Vorjahr errang der Club einen Erfolg gegen Tacho-Manipulati­on, auf Druck des Clubs wird eine Datenbank für die Kfz-Kilometers­tände erstellt. Den Erfolg zu präsentier­en überließ man allein Verkehrsmi­nister Alois Stöger. So leise wäre der ÖAMTC früher nicht gewesen.

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