Kurier

Der Käfer feiert 80. Geburtstag

Von den Nazis 1935 erfunden, wurde der kleine VW später zum Symbol des Wirtschaft­swunders.

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Schon bald will der Führer seine langen, wohlgestal­teten Autobahnen mit Tausenden und Abertausen­den von glänzenden kleinen Käfern übersäen, die vom Baltikum bis in die Schweiz und von Polen nach Frankreich schnurren“, schrieb die New

York Times 1938. Getragen vom Siegesraus­ch, in den ihn der unlängst vollzogene „Anschluss“Österreich­s an Deutschlan­d versetzt hatte, blies Hitler 1938 zur Motorisier­ung der Massen.

Denn Deutschlan­d war völlig untermotor­isiert: 1930 rollten etwa 500.000 Kraftfahrz­euge über die Straßen, in Frankreich waren es gut eineinhalb Millionen. Von den USA ganz zu schweigen. Was also sollten die quer durchs Land gebauten Au- tobahnen, wenn sich nur alle paar Stunden ein Fahrzeug dorthin verirrte? Hitler beschloss, ein Auto bauen zu lassen, das 100 km/h erreichen, 30-prozentige Steigungen erklettern und nicht mehr als 1000 Reichsmark kosten sollte.

Die Idee hatte er in Amerika gestohlen. Der Führer war ein Fan von Henry Ford, der seit 1908 das erste auch für Arbeiter erschwingl­iche Automobil bauen ließ – der Ford T wurde bis 1927 15 Millionen verkauft.

Die Planung seines „Volkswagen­s“setzte Hitler im Alleingang durch. Den Auftrag erhielt der böhmische SpenglerSo­hn Ferdinand Porsche. Der war schon längst und unabhän- gig von Hitler von der Idee eines robusten Billigauto­s fasziniert. Am 3. Juli 1935 präsentier­te er seinen Prototyp. Der Führer zeigte sich angetan und hatte auch einen Namen für das Auto des Volkes parat: „KdFWagen“sollte es heißen – das stand für „Kraft durch Freude“und war das Motto der so genannten Arbeitsfro­nt.

Dass Ferdinand Porsche sich beim Entwerfen des Käfers an den Plänen eines anderen bedient hatte, war damals kein Thema: Béla Bárenyi studierte noch am Wiener Technikum, als er einen völlig neuen Pkw entwickelt­e – luftgekühl­ter Vierzylind­er-Boxermotor, ein vor der Hinterachs­e angebracht­es Ge- triebe und eine stromlinie­nförmige Karosserie. Der junge Ingenieur machte sich ans Klinkenput­zen – 1932 stellte er seine Entwürfe Ferdinand Porsche vor. Der signalisie­rte „kein Interesse“. Nur zwei Jahre später präsentier­te Porsche den Nazis ein von ihm entwickelt­es Auto, das eine Reihe von Merkmalen aus Bárenyis Entwurf aufwies. Béla Bárenyi schäumte, doch einen Urheberrec­htsstreit konnte sich der Österreich­er nicht leisten und musste mitansehen, wie Porsche „sein“Auto zur Serienreif­e entwickelt­e.

Werbetromm­el

„Fünf Mark die Woche musst du sparen – willst du im eignen Wagen fahren!“Jetzt wurde die Werbetromm­el gerührt. Dem Slogan folgten 340.000 Sparer. 1938 wurde mit ihrem Geld und mit großem Getöse im niedersäch­sischen Fallersleb­en/Wolfsburg der Grundstein zur modernsten Autofabrik Europas gelegt. Doch ein Jahr später montierten Normal- und Zwangsarbe­iter statt flotter Käfer geländetau­gliche Kübelwagen für die Wehrmacht – insgesamt 600.000. Die von den Nazis geplante Motorisier­ung des Volkes war gescheiter­t.

Erst nach Kriegsende ging der Käfer unter britischer Regie in Serie und wurde zum Symbol für das deutsche Wirtschaft­swunder. Generation­en von Deutschen und Österreich­ern zwängten sich für die Fahrt in den Urlaub in den freundlich­en, buckligen Wagen. Die dunkle Vergangenh­eit war vergessen. Und vor genau 60 Jahren, am 5. August 1955 lief der Millionste Jubiläumsk­äfer vom Band.

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