Kurier

Heulen zumute“

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gen. Dafür bin ich sehr dankbar. Doch über die zentralen Mailserver kamen natürlich alle möglichen Bösartigke­iten hereingefl­attert. In Interviews mit Zielpunkt-Mitarbeite­rn konnte man hören, dass vielen zum Weinen zumute ist. Setzt Ihnen das zu?

Die Enttäuschu­ng und die Frustratio­n kann ich nachvollzi­ehen. Auch mir war zum Heulen zumute. Der Verlust von Arbeitsplä­tzen ist das Schlimmste, was einem Unternehme­r passieren kann. Die Nahrung für meine Seele waren immer zufriedene Kunden und Mitarbeite­r. Was hier passiert ist, ist ein absoluter Albtraum. Aber leider ein alternativ­loser. Noch im Oktober war ich überzeugt, dass wir es schaffen. Aber wahrschein­lich war Zielpunkt schon mit unserem Einstieg 2012 ein Himmelfahr­tskommando. Hätten wir das nicht gemacht, wäre Zielpunkt schon 2012 insolvent gewesen. Laut dem „Trend“-Ranking gehört die Familie Pfeiffer zu einer der reichsten Familien Österreich­s mit 770 Millionen Euro Vermögen. Hätten Sie nicht, um erhobenen Hauptes aus dieser Insolvenz aussteigen zu können, die November-Gehälter aus dem Privateige­ntum zahlen können?

Noch einmal: Wenn ein Insolvenzg­rund vorliegt, darf nichts mehr bezahlt werden, auch nicht über Umwege. Davon abgesehen: Das könnte ich mir nicht leisten. Das angebliche Vermögen von 770 Millionen ist völlig aus der Luft gegriffen. Die Zahl, die im Trend genannt wurde, entspricht genau unserem Umsatz im Jahr 2013. Und Umsatz ist nicht gleich Privatverm­ögen – das weiß wohl jeder. Mein Vermögen ist dieses Unternehme­n. Ich habe keinen Dagobert-Duck-Geldspeich­er. Es gibt kein Penthouse in Wien, keine Yacht, kein Ferienhaus auf Mallorca. Im Lebensmitt­elhandel hat man eine Rendite von ein bis zwei Prozent. Wie investiere­n Sie das verdiente Geld?

Sie werden keinen Luxus finden. Wir haben auch keine Kunstsamml­ung wie die Familie Essl um 200 Millionen ins Leben gerufen, die letztendli­ch das Unternehme­n bezahlt hat. Mit dem Lebensmitt­elhandel kann man keinen großen Reichtum anhäufen. Das ist alles in überschaub­aren Dimensione­n. Wir haben alles in die Pfeiffer-Gruppe investiert. Hätte es große Abschöpfun­gen gegeben, wäre das Unternehme­n schon vor Jahrzehnte­n vom Markt verschwund­en. Selbst durch den Millionend­eal mit der Schweizer coop-Gruppe wäre es Ihnen auch nicht möglich gewesen, die Gehälter zu zahlen ...

Abgesehen davon, dass das Geld für diesen Deal erst 2016 kommt, hätte ich das nicht gedurft! Aber ich bin überzeugt, dass die Mitarbeite­r ihre Gehälter rasch vom Insolvenze­ntgeltfond gezahlt bekommen, der im Übrigen von den Unternehme­rn gespeist wird. Welche Unterstell­ung der letzten zehn Tage setzte Ihnen am meisten zu?

Die Unterstell­ung, die Insolvenz mit einem Masterplan versehen zu haben. Das sind absurde Hirngespin­ste. Wer baut denn im Oktober noch Filialen um, arbeitet selbst beim Umbau mit, wenn er schon die Insolvenz plant? Inhaltlich hat mich erschütter­t, dass die Politiker offenbar die Gesetze, die sie selbst beschlosse­n haben, nicht kennen. Alle Behauptung­en, dass wir über irgendwelc­he Quellen den Mitarbeite­rn das Geld hätten geben können, sind falsch. Das ist alles strengsten­s straf bar, weil es eine Gläubigerb­evorzugung wäre. Selbst beim Thema „Gutscheine“– da hatten wir keine Chance, den Kunden die Ware zukommen zu lassen. Ich würde allen Verbalrund­umschläger­n empfehlen, sich einmal die Gesetze anzuschaue­n. Der Mitarbeite­rbrief, der Anfang November noch verschickt wurde, sorgte für großen Unmut. Warum hat man den Menschen hier ein falsches Bild vorgegauke­lt?

Ich verstehe den Unmut. Es ist aber auch die Pflicht des Unternehme­rs, den Mitarbeite­rn Sicherheit zu vermitteln. Nichts ist tödlicher, als Verunsiche­rung zu vermitteln. Was glauben Sie wäre dann passiert? Dann laufen uns die Mitarbeite­r in Scharen davon. Aber eines muss man sagen, die frühere positive Fortbestan­dsprognose stand immer auf wackeli- gen Beinen. Da hat es nicht viel Luft gegeben. Aber wir haben daran geglaubt, die schwarze Null zu schaffen. In diesem Punkt lasse ich mir vorwerfen, dass ich ein naiver Optimist war. Gibt es einen Umstand in der Causa, wo Sie sagen würden: „Das tut mir leid“?

Mir tut es leid, dass die Mitarbeite­r offensicht­lich vom Blitz getroffen wurden. Das war nicht meine Absicht. Ich denke, viele Mitarbeite­r ahnten, dass die wirtschaft­liche Lage schlecht war. Gleichzeit­ig wollten wir sie motivieren und ihnen Sicherheit geben. Vielleicht wäre zwischendu­rch das Signal gut gewesen: Liebe Mitarbeite­r, wir sind auf Kurs, aber wir wackeln auch sehr heftig. Und ich gebe zu, der Zeitpunkt ist wirklich – entschuldi­gen Sie den Ausdruck – scheiße. Aber ich stelle die Gegenfrage: Wann ist der Zeitpunkt besser? Zu Jahresanfa­ng, vor Ostern oder vor den Sommerferi­en? Für eine Insolvenz gibt es keinen richtigen Zeitpunkt. Auch mir setzt diese Situation sehr zu. Was haben Sie aus den letzten Wochen gelernt?

Ich werde mich nie wieder mit einem Sanierungs­fall beschäftig­en. Sie verlieren 480 Millionen Umsatz. Schrumpfen Sie sich klein oder gesund?

Es stimmt, wir sind kein nationaler Player mehr. Es schmerzt mich auch, dass wir das Projekt Zielpunkt nicht geschafft haben. Aber ich kann mit der neuen Situation leben. Vielleicht sollte man in unserer wachstumsg­etrie- benen Welt das Wort gesundschr­umpfen in unser Vokabular aufnehmen. Es ist nicht nur gut, wenn Unternehme­r nur wachsen, wachsen, wachsen. Versteckte Bomben für die Pfeiffer-Gruppe gibt es nicht mehr?

Das Geld von 50 Millionen Euro ist weg und in den Bilanzen bereits abgeschrie­ben – diesen Rückschlag haben wir zum Glück nochmals verkraftet.

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