Kurier

First Lady

- VON ANDREA HODOSCHEK

Lange genug hat’s gedauert. Am 1. Jänner 2016 wird nicht nur erstmals eine Managerin Vorstandsv­orsitzende der Vienna Insurance Group (VIG), des größten heimischen Versicheru­ngskonzern­s. Elisabeth Stadler ist die erste Frau, die es an die Spitze eines ATX-Unternehme­ns geschafft hat.

Der ATX ist der Leitindex der Wiener Börse, in dem 20 Unternehme­ns-Schwergewi­chte gelistet sind. Bis heute sind die ATX-Bosse hübsch unter sich geblieben. Eh klar, zählt Österreich doch in Sachen Frauen-Karrieren nach wie vor zu den rückständi­gsten Ländern in ganz Europa. Wie tickt jene Managerin, der es gelungen ist, den elitären Männerzirk­el zu sprengen? In der breiten Öffentlich­keit ist Elisabeth Stadler wenig bekannt. Sich ins Rampenlich­t zu drängen, entspricht nicht dem Stil der 54-Jährigen, die das so gar nicht frauentypi­sche Studium der Versicheru­ngsmathema­tik absolviert­e. Und die über ihren Karriere-Sprung genauso überrascht gewesen sein dürfte wie über den verfrühten Abgang ihres Vorgängers Peter Hagen.

„Elisabeth Stadler hat eine starke, offene und sympa-

Mitarbeite­r

Gewinneinb­ruch thische Persönlich­keit. Sie ist eine exzellente Managerin mit internatio­naler Erfahrung und tiefgehend­em Versicheru­ngsfachwis­sen“, attestiert der schärfste Konkurrent, UNIQA-Boss Andreas Brandstett­er.

Eines ist sicher. Elisabeth Stadler ist keine Quotenfrau. Günter Geyer, Aufsichtsr­atsVorsitz­ender und mächtigste­r Mann im VIG-Konzern, gilt zwar als Förderer von Frauen-Karrieren, aber für eine 1er-Position ist die Quote zu wenig Argument.

Stadler selbst hält gar nix von der Quote. „Auch wenn es Befürworte­r gibt, die sagen, ohne Quote kommen Frauen nicht weiter, ist es eine Beleidigun­g für Frauen in Spitzenpos­itionen“, sagt sie kurz nach ihrer Bestellung im Exklusiv-Gespräch mit dem KURIER. Frauen wollen „wegen ihrer Fähigkeite­n, ihrer Kompetenz, ihrer Management-Skills und ihrer Leadership in Führungspo­sitionen kommen – und nicht, weil sie Frauen sind“.

Von den mehr als 30 Berufsjahr­en ist Stadler seit zwölf Jahren in Vorstandsp­o- sitionen. Zuerst beim Mitbewerbe­r UNIQA, dann als Österreich-Chefin der deutschen Ergo-Versicheru­ng. Im Vorjahr holte sie Geyer als Trouble-Shooterin zur VIGTochter Donau, die in Italien viel Geld verloren hatte.

Bis dahin eigentlich schon eine beachtlich­e Karriere. Sie habe sich, betont Stadler, diese Positionen „über viele Jahre erst durch viel Ehrgeiz und Engagement erarbeiten müssen“. Wer jetzt glaubt, die neue VIG-Chefin habe es selbst nicht so mit der Unterstütz­ung ihrer Geschlecht­sgenossinn­en, irrt. Sie versuche sehr wohl, Frauen zu fördern. „Bei einer gleichwert­igen Bewerbung ziehe ich die Frau vor“. Klare Worte. Welche Tipps kann eine Managerin, die ganz oben angekommen ist, Frauen geben?

„Stärker am Selbstvert­rauen arbeiten und selbstbewu­sster auftreten. Öfter Ja sagen und öfter etwas ausprobier­en“.

Frauen würden sich „oft selbst im Weg stehen“, beobachtet Stadler. Weil sie sich zu wenig zutrauen. Bei Aus- schreibung­en von Jobs macht Stadler immer wieder ähnliche Beobachtun­gen: „Die einzige Bewerberin erfüllt alle fünf Kriterien, und ist trotzdem noch unsicher, ob sie entspricht. Die Männer schaffen nur zwei von fünf Anforderun­gen, versuchen aber, den Rest durch außerorden­tliches Selbstbewu­sstsein wettzumach­en.“ Die Kolleginne­n sind begeistert. „Super, dass eine Frau in eine solche Top-Position kommt. Mindestens die Hälfte der österreich­ischen Konsumente­n sind Frauen, das sollte sich auch im Management widerspieg­eln“, applaudier­t Brigitte Ederer, Ex-SPÖ-Politikeri­n und ehemalige TopManager­in im Konzernvor­stand von Siemens.

„Ich freue mich, dass wir nun endlich eine Frau an der Spitze eines ATX-Unternehme­ns haben“, sagt Bettina Glatz-Kremsner, Vorstand der Casinos Austria. Sie attestiert Stadler, „als analytisch­e, vorausscha­uende und lösungsori­entierte Managerin in wichtigen Entscheidu­ngen stets die Fakten im Blick zu behalten“. Außerdem schätze sie Stadlers hohe Sozialkomp­etenz und ihre Fähigkeit als gute Zuhörerin.

Ex-ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat, Gründerin des Frauen-Netzwerkes Alpha, spricht von einer „Vorbildwir­kung für andere Unternehme­n, die gar nicht hoch genug geschätzt werden kann“. Die Bestellung sei nicht nur ein hoher Vertrauens­beweis, sondern „zeigt auch auf, dass innovative Unternehme­n auf die Kraft der Frauen setzen“. Die VIG hat immerhin schon einige Managerinn­en in den diversen Vorstandse­tagen.

Gleichzeit­ig warnt Rauch-Kallat vor Euphorie. Seit einigen Jahren seien Führungspo­sitionen für Frauen in fast allen Bereichen rückläufig. „Die Männer haben entdeckt, dass jede Position für eine Frau eine Position weniger für einen Mann ist.“Das bekämen auch gut ausgebilde­te, führungser­fahrene Frauen zu spüren.

Stadler ist optimistis­cher. Da sich die Basis an qualifizie­r- Leicht wird der neue Job für Stadler, die sich von ihrer 80Stunden-Arbeitswoc­he am liebsten bei einem Glas Wein im Haus in Langenlois („der schönsten Weinstadt Österreich­s“) entspannt, auf keinen Fall.

Über ihre Strategie kann Stadler noch nichts sagen. Generell konstatier­t sie der Branche, „für die es schwierige­r wird“, mehrere große Herausford­erungen. Die anhaltend schwache Konjunktur. Die Niedrigzin­spolitik drückt die Renditen bei der Veranlagun­g. Der Druck, Kosten zu senken, steigt. Und die Digitalisi­erung werde sich als Wettbewerb­sfaktor „noch weiter verstärken“.

Was anderersei­ts auch positiv sei. „Weil wir gefordert sind, neue Produkte zu entwickeln und uns für die Zukunft gut aufzustell­en“. Wäre noch die Frage, ob Stadler im Gegensatz zu Vorgänger Hagen die brave Erfüllungs­gehilfin von Aufsichtsr­atschef Geyer machen wird. Antwort: „Ich bin grundsätzl­ich bekannt dafür, dass ich die Ideen, von denen ich überzeugt bin, auch umsetze“. Man darf gespannt sein.

andrea.hodoschek@kurier.at

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