„In diesem Jahrtausend ist alles
Klarstellung. Der Fußball habe sich gegenüber ihren WM-Zeiten völlig verändert, sagen Josef Hickersberger und Herbert Prohaska. Die beiden waren die letzten Teamchefs vor Marcel Koller gewesen, unter deren Regie sich Österreich für Großereignisse qualifiz
hätten. Sie lassen die Kugel so lange zirkulieren, bis sich eine Lücke findet. Ich bin überzeugt, dass die Spieler heute doppelt so viele Ballberührungen haben wie wir früher. Darüber hinaus werden die Pässe mit unglaublicher Schärfe geschlagen. Ich bin jedes Mal verblüfft, wenn wir vor Länderspielen mit dem
beim Aufwärmen an der Seitenlinie stehen. Oben auf der Tribüne und im TV schaut alles viel, viel harmloser aus. Auch im konditionellen Bereich ist Revolutionäres passiert. Wurde früher falsch trainiert? Prohaska: Als ich gespielt habe, wurde im Ausdauerbereich immer alles gemeinsam gemacht. Für ein Drittel von uns war das Training richtig, für ein Drittel war’s zu viel, für ein Drittel war’s zu wenig. Ich habe mich immer geärgert, wenn beim Lauftraining in der Prater-Hauptallee der Ogris und der Steinkogler weit hinten waren. Heute weiß ich: Das waren Sprintertypen, die eine ganz andere Art der Vorbereitung gebraucht hätten. In der Kraftkammer waren wir überhaupt nur während der meisterschaftsfreien Zeit. Hickersberger: Oder wenn’s Wetter schlecht war. Heute laufen die Spieler bei jedem Training mit Puls-Uhren und Brustgurt herum. Heute gibt es Chipkarten. Heute weiß der Trainer schon unmittelbar nach dem Training, ob es den Zweck erfüllt hat, ob sein Spieler im richtigen Pulsbereich gearbeitet hat. Anders ist es gar nicht möglich: Sonst könnten die Profis niemals so spielen, wie sie heute spielen. Prohaska: Und trotzdem gibt es immer mehr Verletzte. Kreuzbandrisse gehören zum Alltag. Wenn’s so wäre wie in den 50er-Jahren, als keine Spielerwechsel erlaubt waren, würde jede Partie nur noch mit sieben, acht Mann beendet werden. Sie hatten als Spieler wie Teamchefs selbst die – zu – hohen Erwartungen im Vorfeld einer WM erlebt. Stimmt Sie der gegenwärtige Hype nachdenklich? Hickersberger: Dass auch Russland und Schweden, die Kollers Truppe in der Qualifikation hinter sich gelassen hat, noch die EM-Teilnahme erkämpft haben, spricht zusätzlich für Österreich. Doch bei allem Respekt vor unseren souveränen Gruppensiegern: Zwischen einer Qualifikation, die sich über ein Jahr erstreckt, und einem Turnier ist ein Riesenunterschied. Denn bei einer Endrunde musst du innerhalb von zehn Tagen drei Spiele bestreiten. Prohaska: Wenn jetzt oft schon Vergleiche zwischen der 78er-Generation und der heutigen gezogen werden, sollt’ ich sagen: Wir waren 1978 bei der Endrunde, zu der unsere jetzige Mannschaft erst hin muss. Aber ich lasse mir darüber hinaus keine Statements mehr entlocken. Ich lehne mich nicht mehr aus dem Fenster wie bei der Verpflichtung von Marcel Koller. Diesen Fehler mache ich nie wieder. Selbst wenn unter Koller zehn Länderspiele verloren gehen, würde ich sagen: Er ist der Richtige. Sehen Sie Spieler, die im letzten Moment noch in Kollers EMAufgebot rutschen könnten? Hickersberger: Stefan Stangl, der bei Rapid eine RiesenEntwicklung gemacht hat, und sein Klubkollege Florian Kainz vielleicht. Doch die Konkurrenz ist groß. Ein Indiz für den Aufschwung, den ich nicht zuletzt auf die gute Nachwuchsarbeit zu-