„Privat ist sie völlig anders“
Interview. Angelina Jolie und Brad Pitt drehten mit dem österreichischen Kameramann Christian Berger
Der österreichische Kameramann und Regisseur Christian Berger kann von sich behaupten, dass er mit Angelina Jolie die Flitterwochen verbracht hat. Denn nur wenige Tage nach der Hochzeit von „Brangelina“, am 23. August 2014, begannen auf Malta die Dreharbeiten für den Film „By the Sea“, für den Angelina Pitt – wie sie sich selbst seither nennt – nicht nur das Drehbuch schrieb, sondern auch die Regie und Hauptrolle übernahm.
Zum ersten Mal seit der Agentenkomödie „Mr. und Mrs. Smith“(2005) stand sie dafür wieder mit Brad Pitt vor der Kamera. Pikanterweise spielen die beiden in diesem Film ein Paar in den 1970erJahren, das mit einem Urlaub am Mittelmeer versucht, die Ehe zu retten. Als KinoZuschauer hat man das Gefühl, Zeuge von Szenen einer (Promi-)Ehe zu sein – und darin liegt wohl der eigentliche voyeuristische Kitzel.
Denn immerhin sind es Worte aus dem eigenen Drehbuch, die Angelina Jolie sich selbst und Brad Pitt in den Mund legt. Auch Anklänge an Stanley Kubricks Film „Eyes Wide Shut“, der letztlich in der Scheidung von Nicole Kidman und Tom Cruise mündete, sind spürbar.
Dass „By the Sea“vor allem optisch an große Vorbilder – wie etwa Michelangelo Antonioni – erinnert, liegt an den Bildern von Christian Berger: An den sensibel gedrehten Sex-Szenen, den ebenso perfekt wie diskret ausgeleuchteten Nacktaufnahmen von Angelina Jolie in der Badewanne. Dass Ber- ger, der es zu zahlreichen Auszeichnungen und einer Oscar-Nominierung für Michael Hanekes „Das weiße Band“brachte, der Kameramann ihrer Wahl war, zeugt von Angelina Jolies professioneller Intelligenz: Für ihre erste Regie-Arbeiten umgab sie sich mit den Besten der Besten. KURIER: Am Anfang stand ein Anruf von Jolie und Pitt. Wie sind die beiden auf Sie gekommen? War die Oscar-Nominierung ausschlaggebend? Christian Berger: Das war auch meine erste Frage: wie seid ihr auf mich gekommen? Und es war nicht der Oscar oder Haneke, sondern sie haben im Internet Statements von mir gelesen, in denen ich meinen Standpunkt zur Ausleuchtung von Filmszenen geäußert habe. Aber es war sicher nicht schädlich, dass ich schon einmal für einen Oscar nominiert war. Wie hat sich Angelina Jolie als Regisseurin verhalten?
Am Anfang gab es noch einen Konflikt – obwohl das ein zu großes Wort ist – eher Missverständnisse. Denn wenn sie als Amerikanerin sagt: Lass uns gemeinsam einen europäischen Film drehen, dann meint sie, damit sei alles klar. Aber damit ist überhaupt nichts klar, weil manals Europäer von vornherein andere Bilder vor Augen hat. Aber sehr geholfen hat uns dann der Begriff „Nouvelle Vague“der 1970er-Jahre, denn diese Zeit war für mich sehr prägend – und auch sie wusste, welche Filme damit gemeint sind. Hat sie sich von Ihnen beraten lassen, oder hatte sie eigene, klare Vorstellungen?
Für mich ergab sich eine ganz eigene Spannung, weil sie zwar eine erfahrene Schauspielerin ist, aber als Regisseurin noch experimentiert. Daraus hat sich eine – für meine Begriffe – sehr feminine Handschrift entwickelt. Kritiker haben Angelina Unsicherheit vorgeworfen, aber sie ist nicht unsicher, sondern auf der Suche – und das ist künstlerisch ja unabdingbar. Aber das wird offenbar bei einer Frau weniger akzeptiert als bei einem Mann. Ich habe das erste Mal das Ge-
Christian Berger fühl gehabt, dass es innerhalb der Kritiker-Gilde eine Art von intellektuellem MachoGehabe gibt. Nach dem Motto: Das war ja ganz nett, Baby – und jetzt probier’s noch mal! Das finde ich unfair. Kritiker haben den Film als „vanity project“bezeichnet, als ein Projekt der Eitelkeit.
Ganz im Gegenteil! Angelina inszeniert sich in diesem Film völlig uneitel als Tussi, die unfähig ist, echte Gefühle zu zeigen. Aber das ist nicht die private Angelina Jolie – die ist völlig anders. Da konnte ich in unseren Diskussionen offen sagen: das war super, oder das war scheiße – und sie hat das akzeptiert. Hatten sie Sorgen, dass das Publikum den Film als persönliche Abrechnung sieht?
Ich habe mit ihnen darüber während des Films und auch jetzt nach der Hollywood-Premiere gesprochen, aber das wischen sie einfach weg. Sie sind von diesen Gerüchten nicht mehr leicht zu verletzten, obwohl es trotzdem manchmal passiert. Vor allem nach Angelinas Brustoperation. Aber es ist ihnen auch klar, dass diese Lüsternheit des Publikums auch einen Teil ihres Erfolges ausmacht. Das Dasein als Mit-Flitterwöchner hat ja für skurrile Momente gesorgt – wie bei einer Boots- tour. Da gab es Spekulationen, weil die Jolie am Bug stand, und Brad Pitt am hinteren Ende. Und dazwischen Sie.
Wir wollten gemeinsam die besten Drehorte aussuchen und da stand Angelina natürlich ganz vorne und ich gleich hinter ihr. Am nächsten Tag kam die Schlagzeile: „Eiskalte Atmosphäre!“Nur weil sie vorne und er hinten war. Lächerlich! Werden Sie wieder mit Angelina Jolie arbeiten?
Ja. Sie hat mir bereits eine weitere Zusammenarbeit angeboten.