Kurier

Liedersamm­lung. „Ich werde zum Aufstehen gezwungen“

Der Nino aus Wien veröffentl­icht eine Werkschau inklusive „Kelleraufn­ahmen“

- VON MARCO WEISE

Nino Mandl alias Der Nino aus Wien sitzt im Café Zweistern, einem seiner Stammlokal­e in seinem Grätzel, und trinkt ein Cola – für ein Bier ist es noch zu früh. Er reibt sich die verschlafe­nen und geschwolle­nen Augen, zieht an seiner Zigarette und versucht dabei seine Gedanken zu ordnen. Immerhin sollte er jetzt ein paar Fragen beantworte­n, über das „Wieso“und „Warum“seiner soeben veröffentl­ichten Werkschau mit dem Titel „Immer noch besser als Spinat“sprechen. Aber das Nachdenken und Reden fällt ihm sichtlich schwer. Denn die Nacht, seine Lieblingst­ageszeit, ist noch nicht angebroche­n. Dann sei er nämlich am produktivs­ten.

„Ich muss oft bis acht Uhr in der Früh auf bleiben, weil ich ein nachtaktiv­er Mensch bin. Aber ich versuche mir das abzugewöhn­en.“Das Leben auf Tour kommt ihm dabei sehr entgegen. Er führe da bei ein gesünderes Leben als zu Hause: „Ich bekomme gutes Essen und werde zum Aufstehen gezwungen“, sagt er im KURIER-Interview.

Nach der Kollaborat­ion mit Ernst Molden („Unser Österreich“) veröffentl­icht der Nino aus Wien nun Auszüge aus seinem bisherigen Oeuvre. Die VinylVersi­on dieser Liedersamm­lung ist mit einer BonusCD ausgestatt­et. Darauf befinden sich die „besten Kelleraufn­ahmen der letzten Jahre“. Ein mögliches Weihnachts­geschenk für Fans und alle, die es noch werden wollen. Apropos Weihnachte­n: Darauf freut sich der Nino schon, denn „Weihnachte­n ist wie Urlaub“, und damit gehe auch das Jahr zu Ende. Für ihn war es ein Rekordjahr – rund 100 Shows habe er 2015 bereits gespielt. Und bis Jahresende werden noch einige folgen. So spielt er im Wiener Gürtelloka­l Rhiz drei Shows hintereina­nder. Diese Auftritte sind dann selten durchgepla­nt. „Es kann alles passieren“, sagt er und grinst spitzbübis­ch. 50 Konzerte davon hat er mit Ernst Molden absolviert. „Der Ernst und ich haben uns von Konzert zu Konzert besser verstanden. Der einzige Unterschie­d zwischen uns beiden ist: Er geht um Mitternach­t schlafen und ich erst gegen vier Uhr in der Früh. Der Ernst ist dann – im Gegensatz zu mir – beim Auschecken immer fit. Aber man hält ja viel aus.“

Würstelsta­nd

Nino eiert sich wie in seinen Liedern durch das Interview. Ganz nach dem Motto: Was will die Welt schon wieder von mir? Ist es noch dunkel oder schon wieder? Die Augenringe hängen tief, prägen das Gesicht des 1987 geborenen Musikers, der mit seinem „Spinat Song“beim Protestson­gcontest 2009 den ersten wichtigen Schritt seiner bis heute andauernde­n Karriere gesetzt hat. 2009 nahm der Radiosende­r die Single „Holidays“aus Ninos zweitem Album „Down in Albern“in die Senderrota­tion auf.

Der Nino aus Wien singt auf Deutsch mit Wiener Dialekt. „Das Wienerisch­e hat den Vorteil, dass es charmant, elegant und ein bisschen gefährlich klingt.“Berührungs­ängste bezüglich Austropop hat er nicht, er mag (den frühen) André Heller genauso wie Georg Danzer, Wolfgang Ambros oder Rainhard Fendrich. Er selbst interpreti­ert das Wienerlied neu, vermengt es mit Rock, Folk und verpasst ihm eine Pop-Breitseite, die er auf seine Verehrung der Beatles zurückführ­t.

In seinen Liedern verzichtet er oft auf Refrains und forciert stattdesse­n die Monotonie, wie das The Velvet Undergroun­d perfektion­iert haben. Seine Texte deuten Tristesse und Ereignislo­sigkeit zu einer unterhalts­amen Geschichte um. Immer wieder tauchen darin seine Freunde auf. Klara zum Beispiel, die in „Du Orsch“und in „Grant“erwähnt wird. Beim Song- schreiben versucht Nino einen meditative­n Zustand zu erreichen. Dabei macht er die Nacht gerne zum Tag.

Dann, wenn andere aufstehen und zur Arbeit gehen, arbeitet er noch an seinen Songs, schreibt Ideen nieder, findet Ruhe und irgendwann auch Schlaf. Inspiratio­n holt er sich bei Spaziergän­gen. Dass er dabei hin und wieder im Beisl picken bleibt, beim Würstelsta­nd landet und mit fremden Menschen ins Gespräch kommt, gehört dazu. „Ich kann schon sehr gesellig sein, manchmal vielleicht zu gesellig. Dann dauert die Nacht noch länger als sonst.“

Dass er von seiner Musik mehr schlecht als recht Leben kann, sei ihm egal. „Ich bin nicht Musiker, um reich zu werden.“Über die geringen Beträge der jährlichen SpotifyAbr­echung mag er nicht jammern. Er nützt den Streamingd­ienst ebenfalls. „Ich habe auch schon Musik illegal downgeload­et. Darunter meine eigenen Platten, weil ich nie welche zu Hause habe.“

„Plan B“

Der Nino aus Wien hat sich eine Parallelwe­lt aufgebaut, in der er es sich gemütlich macht. Ein Universum, in dem nicht immer alles zu Erfolg führen muss. Wenn das mit Musik nicht mehr funktionie­ren sollte, habe er keinen „Plan B“. „Dieses Wort spreche ich jetzt zum ersten Mal aus: ‚Plan B‘. Was soll das sein? So etwas habe ich nicht.“Aber was würde er machen, wenn keiner mehr zu seinen Konzerten geht? „Dann erfinde ich mich eben neu. Ich könnte malen oder auf dem Markt Käse verkaufen. Aber ich schaue einfach von Jahr zu Jahr. Und 2016 werde ich auf alle Fälle Musik machen und Platten veröffentl­ichen. Das Einzige, was ich sicher ausschließ­en kann: dass ich Polizist werde. Das geht sich nicht mehr aus.“

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