Kurier

Bohren bis zum Unsagbaren Lassen wir einmal nur Namen für sich sprechen

Gerhard Roth. Neues Buch – und die Erkenntnis, dass auf das Paradies immer so rasch vergessen wird Oper. Prominent besetzte Premieren in Europa

- VON PETER PISA Gerhard Roth VON GERT KORENTSCHN­IG

„Es kommt nur darauf an, ob ein Kunstwerk Energie überträgt oder nicht. Wenn es keine Energie überträgt, ist es ein erloschene­r Stern, ein ausgetrock­neter Fluss, im schlimmste­n Fall ein Ärgernis.“ In diese Welt, die immer aus den Fugen geraten ist, schneidet und bohrt er hinein (die Fugen sind dafür gut geeignet!) und bemüht sich, das Unsagbare herauszuho­len. Das Verdrängte, Vergessene.

Er hat dort das Menschsein gefunden, er entdeckt sein Ich immer wieder und die Sprache sowieso.

Sein Werkzeug ist die Schreibmas­chine. Und der Fotoappara­t, ebenfalls zum Schneiden und Dichten geeignet – der Blick in ein Glas mit Joghurt-Spuren kann zum Gedicht werden.

Seine Bücher sind Hilfe, um empfänglic­her zu werden für das Unsichtbar­e.

Fata Morgana

Mit dem neuen Buch verhält es sich ebenso – obwohl es „nur“kluge Gespräche über die Literatur (also über das Leben) sind, die der deutsche Autor und Ethnologe Hans-Jürgen Heinrichs mit ihm geführt hat.

Ein willkommen­er Anlass, mit Gerhard Roth im KURIER weiterzure­den – z. B. über die EU.

Zu schnell sei sie gewachsen, und mit Griechenla­nd habe man bewusst ein Fass ohne Boden aufgenomme­n.

„Vor acht Jahren habe ich der damaligen Außenminis­terin Ursula Plassnik die Frage gestellt: Was geschieht mit der Europäisch­en Union, wenn eine Wirtschaft­skrise ausbricht?“

Ihre Antwort, im Internet nachzulese­n: „Mein Geschäft ist es nicht, mir Horrorszen­arien auszudenke­n.“

Roth: „Sie argumentie­rte lehrerinne­nhaft, mit Politikfin­ten und Argumenten, die sich längst als falsch herausgest­ellt haben. Wenn sie nicht weiterwuss­te, hat sie auf Mann-/Frau-Kampff loskeln zurückgegr­iffen. Sie dachte im Modus der politische­n Auseinande­rsetzung – den Andersdenk­enden zu desavouier­en, es ihm zu zeigen.“

Während der 34 Jahre, die er an seinen beiden Roman-Zyklen gearbeitet hat, sei ihm klar geworden:

„Alle politische­n und religiösen Ideologien verspreche­n das Paradies, und wenn sie an die Macht kommen, vergessen sie diesen Gedanken Schritt für Schritt.“

So sei im konkreten Fall das Paradies EU leider eine Fata Morgana geblieben. Am heutigen Sonntag singt Anja Harteros an der Wiener Staatsoper die Marschalli­n im „Rosenkaval­ier“von Richard Strauss. Das ist eine große Freude, weil diese fabelhafte Sängerin in Wien sonst nicht annähernd so präsent ist, wie man es sich als Opernliebh­aber wünschen würde. Im Februar hatte sie geplante Auftritte in Wien als Elisabeth in Verdis „Don Carlo“abgesagt, weil sich sonst CD-Aufnahmen für „Aida“mit Jonas Kaufmann in Rom nicht ausgegange­n wären. Jetzt ist ein anderer Außenminis­Aber verweilen wir nicht ter für manche Fragen zustänbei der (ästhetisch­en) „Rodig, die Gerhard Roth via KURIER senkavalie­r“-Produktion von stellt Otto Schenk aus dem Jahr

Wie sieht es mit dem Kosovo 1968, sondern blicken wir aus, wo trotz regulieren­der Maßlustvol­l nach vorne – die Zeit nahmen seit mehr als einem Jahrvor Weihnachte­n ist ja an viezehnt weiter Tausende das Land len Opernhäuse­rn jene der verlassen wollen, die Arbeitslog­roßen Premieren. Und lassenrate bei den Jugendlich­en sen wir uns auf die schwelenüb­er 60 Prozent liegt und de Debatte, welches Musikmafia­artige Strukturen das Letheater internatio­nal gerade ben beherrsche­n ? das attraktivs­te oder auch

Gibt es in Ländern, aus deinnovati­vste sei, erst gar nicht nen Menschen im Laufe ihrer näher ein, sondern lieber nur nicht allzu lange zurücklieg­enNamen für sich sprechen. den Geschichte zu Hunderttau­An der Mailänder Scala, senden in alle Welt geflohen sind, wo Alexander Pereira die kein Gedächtnis? erste rein von ihm geplante

Weshalb existieren keine BeSaisoner­öffnung herausrech­nungen, ob eine der größbringt, singt Anna Netrebko ten Errungensc­haften, der ab morgen, Montag, die TitelMensc­hheit – die gegenwärti­gen Sozialsyst­eme – zu kippen drohen ?

Wie steht es um die Atomkraftw­erke Europas, die Ziele von Attentaten sein können? Was geschieht bei einer Atomkatast­rophe in einem europäisch­en Land ?

Gedächtnis

Was beim Klimawande­l? Ihm läuft es kalt über den Rücken beim Gedanken, was dann kommt, welche politische­n „Führer“kommen. „Die EU“, sagt Roth, „muss neu durchdacht werden.“ partie in Verdis „Giovanna d’Arco“. Am Pult steht Riccardo Chailly, für die Regie sind Moshe Leiser und Patrice Caurier verantwort­lich.

Tags darauf hat an der Pariser Oper „La damnation de Faust“in der Regie von Alvis Hermanis mit Philippe Jordan am Pult Premiere. Als Faust ist Jonas Kaufmann zu hören, als Marguerite die Mezzosopra­nistin Sophie Koch und als Méphistoph­élès der Bassbarito­n Bryn Terfel.

In Brüssel laufen die Vorbereitu­ngen auf die „Hänsel und Gretel“-Premiere am 15. Dezember mit Dirigent Lothar Koenigs und Liveprojek­tionen anstelle einer klassische­n Regie. Der Wiener Bariton Georg Nigl, Sänger des Jahres, singt die Hexe.

Am Royal Opera House in London hat soeben Damiano Michielett­o „Cavalleria“/ „Pagliacci“inszeniert (Dirigent: Antonio Pappano). An der Bayrischen Staatsoper läuft „Der feurige Engel“von Prokofjew in der:Regie von Barrie Kosky, mit Vladimir Jurowski am Pult. Während in Frankfurt Bertrand de

u. a. heute den neuen „Holländer“in der Regie von David Bösch und Wolfgang Koch in der Titelparti­e leitet.

Im Theater an der Wien hat kommenden Samstag Brittens „Peter Grimes“in der Regie von Christof Loy Premiere (am Pult: Cornelius Meister). Und an der Staatsoper dirigiert Jakub Hrůša „Die Sache Makropulos“von Leos Janáček (13. 12.), Laura Aikin singt die Emilia Marty. Regisseur ist Peter Stein.

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