Bohren bis zum Unsagbaren Lassen wir einmal nur Namen für sich sprechen
Gerhard Roth. Neues Buch – und die Erkenntnis, dass auf das Paradies immer so rasch vergessen wird Oper. Prominent besetzte Premieren in Europa
„Es kommt nur darauf an, ob ein Kunstwerk Energie überträgt oder nicht. Wenn es keine Energie überträgt, ist es ein erloschener Stern, ein ausgetrockneter Fluss, im schlimmsten Fall ein Ärgernis.“ In diese Welt, die immer aus den Fugen geraten ist, schneidet und bohrt er hinein (die Fugen sind dafür gut geeignet!) und bemüht sich, das Unsagbare herauszuholen. Das Verdrängte, Vergessene.
Er hat dort das Menschsein gefunden, er entdeckt sein Ich immer wieder und die Sprache sowieso.
Sein Werkzeug ist die Schreibmaschine. Und der Fotoapparat, ebenfalls zum Schneiden und Dichten geeignet – der Blick in ein Glas mit Joghurt-Spuren kann zum Gedicht werden.
Seine Bücher sind Hilfe, um empfänglicher zu werden für das Unsichtbare.
Fata Morgana
Mit dem neuen Buch verhält es sich ebenso – obwohl es „nur“kluge Gespräche über die Literatur (also über das Leben) sind, die der deutsche Autor und Ethnologe Hans-Jürgen Heinrichs mit ihm geführt hat.
Ein willkommener Anlass, mit Gerhard Roth im KURIER weiterzureden – z. B. über die EU.
Zu schnell sei sie gewachsen, und mit Griechenland habe man bewusst ein Fass ohne Boden aufgenommen.
„Vor acht Jahren habe ich der damaligen Außenministerin Ursula Plassnik die Frage gestellt: Was geschieht mit der Europäischen Union, wenn eine Wirtschaftskrise ausbricht?“
Ihre Antwort, im Internet nachzulesen: „Mein Geschäft ist es nicht, mir Horrorszenarien auszudenken.“
Roth: „Sie argumentierte lehrerinnenhaft, mit Politikfinten und Argumenten, die sich längst als falsch herausgestellt haben. Wenn sie nicht weiterwusste, hat sie auf Mann-/Frau-Kampff loskeln zurückgegriffen. Sie dachte im Modus der politischen Auseinandersetzung – den Andersdenkenden zu desavouieren, es ihm zu zeigen.“
Während der 34 Jahre, die er an seinen beiden Roman-Zyklen gearbeitet hat, sei ihm klar geworden:
„Alle politischen und religiösen Ideologien versprechen das Paradies, und wenn sie an die Macht kommen, vergessen sie diesen Gedanken Schritt für Schritt.“
So sei im konkreten Fall das Paradies EU leider eine Fata Morgana geblieben. Am heutigen Sonntag singt Anja Harteros an der Wiener Staatsoper die Marschallin im „Rosenkavalier“von Richard Strauss. Das ist eine große Freude, weil diese fabelhafte Sängerin in Wien sonst nicht annähernd so präsent ist, wie man es sich als Opernliebhaber wünschen würde. Im Februar hatte sie geplante Auftritte in Wien als Elisabeth in Verdis „Don Carlo“abgesagt, weil sich sonst CD-Aufnahmen für „Aida“mit Jonas Kaufmann in Rom nicht ausgegangen wären. Jetzt ist ein anderer AußenminisAber verweilen wir nicht ter für manche Fragen zustänbei der (ästhetischen) „Rodig, die Gerhard Roth via KURIER senkavalier“-Produktion von stellt Otto Schenk aus dem Jahr
Wie sieht es mit dem Kosovo 1968, sondern blicken wir aus, wo trotz regulierender Maßlustvoll nach vorne – die Zeit nahmen seit mehr als einem Jahrvor Weihnachten ist ja an viezehnt weiter Tausende das Land len Opernhäusern jene der verlassen wollen, die Arbeitslogroßen Premieren. Und lassenrate bei den Jugendlichen sen wir uns auf die schwelenüber 60 Prozent liegt und de Debatte, welches Musikmafiaartige Strukturen das Letheater international gerade ben beherrschen ? das attraktivste oder auch
Gibt es in Ländern, aus deinnovativste sei, erst gar nicht nen Menschen im Laufe ihrer näher ein, sondern lieber nur nicht allzu lange zurückliegenNamen für sich sprechen. den Geschichte zu HunderttauAn der Mailänder Scala, senden in alle Welt geflohen sind, wo Alexander Pereira die kein Gedächtnis? erste rein von ihm geplante
Weshalb existieren keine BeSaisoneröffnung herausrechnungen, ob eine der größbringt, singt Anna Netrebko ten Errungenschaften, der ab morgen, Montag, die TitelMenschheit – die gegenwärtigen Sozialsysteme – zu kippen drohen ?
Wie steht es um die Atomkraftwerke Europas, die Ziele von Attentaten sein können? Was geschieht bei einer Atomkatastrophe in einem europäischen Land ?
Gedächtnis
Was beim Klimawandel? Ihm läuft es kalt über den Rücken beim Gedanken, was dann kommt, welche politischen „Führer“kommen. „Die EU“, sagt Roth, „muss neu durchdacht werden.“ partie in Verdis „Giovanna d’Arco“. Am Pult steht Riccardo Chailly, für die Regie sind Moshe Leiser und Patrice Caurier verantwortlich.
Tags darauf hat an der Pariser Oper „La damnation de Faust“in der Regie von Alvis Hermanis mit Philippe Jordan am Pult Premiere. Als Faust ist Jonas Kaufmann zu hören, als Marguerite die Mezzosopranistin Sophie Koch und als Méphistophélès der Bassbariton Bryn Terfel.
In Brüssel laufen die Vorbereitungen auf die „Hänsel und Gretel“-Premiere am 15. Dezember mit Dirigent Lothar Koenigs und Liveprojektionen anstelle einer klassischen Regie. Der Wiener Bariton Georg Nigl, Sänger des Jahres, singt die Hexe.
Am Royal Opera House in London hat soeben Damiano Michieletto „Cavalleria“/ „Pagliacci“inszeniert (Dirigent: Antonio Pappano). An der Bayrischen Staatsoper läuft „Der feurige Engel“von Prokofjew in der:Regie von Barrie Kosky, mit Vladimir Jurowski am Pult. Während in Frankfurt Bertrand de
u. a. heute den neuen „Holländer“in der Regie von David Bösch und Wolfgang Koch in der Titelpartie leitet.
Im Theater an der Wien hat kommenden Samstag Brittens „Peter Grimes“in der Regie von Christof Loy Premiere (am Pult: Cornelius Meister). Und an der Staatsoper dirigiert Jakub Hrůša „Die Sache Makropulos“von Leos Janáček (13. 12.), Laura Aikin singt die Emilia Marty. Regisseur ist Peter Stein.