Rocker-Präsident als Drogendealer
Lauschangriff. Verdeckte Ermittler und Peilsender im Biker-Milieu / Geheimaktion mit Pannen dauerte zwei Jahre
„Das wird eine ganz große Geschichte“, kündigte die Polizei vor einem Jahr an. Immerhin wurden Ermittlungsmethoden aufgefahren wie sonst nur gegen Terroristen oder Mafiosi: Peilsender an Fahrzeugen, telefonische Abhörmaßnahmen von knapp zwei Dutzend Personen, eine „Wanze“in einem Lokal und der (offenbar missglückte) Versuch, eine Biker-Gang in Wien mit einem verdeckten Fahnder zu infiltrieren.
Heute will man bei Exekutive und Justiz nicht mehr so gerne über die rund zwei Jahre dauernde Mega-Aktion reden. Während jeder erwischte Straßenhändler mit ein paar Gramm Drogen in Wien groß medial auf bereitet wird, darf es zu diesem spektakulären Fall – auf Anweisung der Staatsanwaltschaft – keine Presseaussendung geben.
18 Verhaftungen
Dabei wurden immerhin 18 Personen verhaftet und 57 Konsumenten ausgeforscht, wie Ermittlungsinsider bestätigen. Dem Vernehmen nach soll Kokain und Cannabis den Besitzer gewechselt haben. Nicht einmal die Menge möchte man nennen. War es so wenig?
Als Organisator wurde der 44-jährige Präsident des Wiener Bikerclubs „Iron Bloods“ausgemacht und vor Kurzem zu einem Jahr Haft verurteilt (bei einer Strafandrohung bis maximal 15 Jahre), wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigt. Auch das war bisher unbe- kannt, als Zaungäste waren in der Verhandlung lediglich die Biker-Kollegen und Stammgäste einer Imbissbude in Wien-Favoriten, die vom Angeklagten informiert worden sind. Während man polizeiintern von einem „Geheimprozess“spricht, betont die Staatsanwaltschaft, dass die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen war. Nur wurde offenbar kein Journalist informiert.
Das Favoritner Imbisslokal war jedenfalls die Stammkneipe der Biker-Gang, von dort soll der Rocker-Präsident – auch mithilfe seiner Lebensgefährtin – den Drogen- handel organisiert haben. Zunächst gingen die Ermittler des Landeskriminalamts davon aus, dass die Biker als Lieferanten fungierten. Deshalb wurden mehrere Peilsender an deren Fahrzeugen installiert.
Als ein Gerichtsblogger die Justiz-Protokolle aus ei- nem Mistkübel beim Landesgericht Wien fischte, landeten im Vorjahr Auszüge daraus im Internet. Das könnte die Rocker gewarnt haben. Geschildert wurden dabei Gespräche über den (damals auf Mallorca inhaftierten) deutschen Hells-Angels-Präsidenten Frank Hanebuth. Einmal feierten die Biker, dass einem Mitglied, das im Rotlicht tätig ist, die Fußfessel abgenommen wurde. Es gab „ein demonstrativ-rauschendes Fest“, hielt die Polizei fest. Bei den Abhörmaßnahmen soll es zu weiteren Pannen gekommen sein, so war die Musik in dem Imbisslokal meist so laut eingestellt, dass die Ermittler wenig verstanden.
Nun sagen Staatsanwaltschaft und Polizei, dass es nicht um die Rocker ging. Unter den 18 Verhafteten befindet sich, außer dem Präsidenten, kein weiteres Mitglied der Iron Bloods. Und selbst der 44-Jährige wurde nach dem Prozess und sieben Monaten U-Haft für eine Therapie auf freien Fuß gesetzt.
Iron Bloods
Die aus rund 20 Bikern bestehende Gruppierung Iron Bloods wird polizeiintern als Supporter-Club der Hells Angels angesehen und wurde 2005 gegründet. Bekannt sind die Rocker vor allem für ihre Konzerte, bei denen etwa Alkbottle oder Supermax aufgetreten sind. Einmal im Jahr findet die „Deep Blue Night“statt, bei denen auch die SPÖ-nahen Red Biker Stammgäste sind: „Das ist ein Event der besonderen Art“, heißt es dort.