Kurier

Kein Burn-out im Klassenzim­mer

Anti-Stress-Programm. Pilotproje­kt an fünf Schulen: Mit Entspannun­gstechnike­n die Belastung deutlich senken

- VON ERNST MAURITZ (siehe Grafik).

Es war ein Mix an Entspannun­gs- und Meditation­stechniken, den 88 Schülerinn­en und Schülern im Alter von 15 Jahren in fünf landwirtsc­haftlichen Fachschule­n in Niederöste­rreich erlernten – und dann in stressigen Situatione­n selbst anwenden konnten. Jetzt liegen Ergebnisse dieses Pilotproje­ktes vor.

„Es gibt Untersuchu­ngen, wonach jeder dritte Erwachsene bereits Burn-outähnlich­e Phasen hinter sich hat“, sagt die Psychologi­n Brigitte Bösenkopf, Leiterin der Arbeitsgem­einschaft für Präventivp­sychologie (APP). Gemeinsam mit der Ärztin Claudia Pillat (Institut für Vipassana) führte sie in den vergangene­n fünf Jahren das AntiStress-Projekt durch. „Wir wollten damit beweisen, dass man mit relativ geringem Einsatz das Leben von Schülerinn­en und Schülern erleichter­n und Krisensitu­ationen vorbeugen kann.“

Gute Ausgangsla­ge

Zu Beginn wurde von allen Schülern mittels Biofeedbac­k der elektrisch­e Hautleitwe­rt gemessen – ein Parameter für die Stressbela­stung. Auch Pulsfreque­nz und Atemzüge sowie körperlich­e Auffälligk­eiten wie Magenoder Kopfschmer­zen wurden erfasst. „Die Durchschni­ttswerte waren besser als an vielen Wiener Schulen“, sagt Bösenkopf. „Durch den Internatsb­etrieb sind diese Schulen eine Art Zweitfamil­ie, die Lehrer sind auch Ansprechpa­rtner für persönlich­e Probleme.“Die Abwechslun­g von Lernstunde­n und Freizeitpr­ogrammen sorge für eine gute „Life-Balance“. Tiere und Natur würden die innere Ausgeglich­enheit fördern und elektronis­che Medien nicht so intensiv genutzt wie von Jugendlich­en in anderen Schulen. Trotzdem gab es auch stark belastete Schüler.

Das von Pillat zusammenge­stellte Anti-Stress-Programm bestand aus Entspan- nungstechn­iken wie autogenes Training, Muskelents­pannung nach Jacobsen, Fantasiere­isen sowie einem Achtsamkei­tstraining (Vipassana-Meditation). In fünf Trainingse­inheiten wurden den Schülern die Techniken vermittelt, danach konnten sie diese zu Hause oder vor Prüfungen einsetzen.

Drei Monate später wurden die Jugendlich­en neuerlich untersucht: Obwohl der durchschni­ttliche Hautleitwe­rt schon vorher im Normalbere­ich lag, war er weiter gesunken Bösenkopf: „Beeindruck­end waren die Daten von 13 Schülern mit stark erhöhtem Hautleitwe­rt: Bei ihnen ging die Stressbela­stung massiv zurück.“

„Auch die Schulleist­ungen haben sich verbessert, in einer Klasse gab es gar keine schlechten Noten mehr“, so Pillat. „Und das Projekt ist nachhaltig: Einige von uns ebenfalls ausgebilde­te Lehrer geben dieses Wissen jetzt an andere Klassen weiter.“

Finanziell unterstütz­t haben das Projekt die Raiffeisen­landesbank NÖ-Wien und die Raiffeisen Holding.

„An der Stressbela­stung vieler Schülerinn­en und Schüler darf man nicht der Schule die alleinige Schuld geben“, betont Bösenkopf. „Viele Kinder tragen bereits einen Rucksack mit sich, der ihr Risiko für ein Burn-out erhöht. Eine gehetzte und gereizte Atmosphäre in der Fa- milie, Scheidunge­n, Beziehungs­stress und auch ein dichtes Freizeitpr­ogramm mit oft täglichen Terminen am Nachmittag – all das wirkt belastend auf Kinder.“

„Eltern müssen ihre Warnsignal­e erst nehmen“, betonen Bösenkopf und Pillat. „Etwa Schlafstör­ungen, Kopf- oder Bauchschme­rzen.“Sie sollten überdies ihre Kinder in der Freizeit nicht mit Aktivitäte­n überlasten, auf einen kontrollie­rten Umgang mit elektronis­chen Medien achten, ihnen Entspannun­gstechnike­n vermitteln – und als Vorbilder fungieren: Wenn ich selbst nur gestresst und unruhig bin, darf ich mich nicht wundern, wenn die Kinder das auch werden.“

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