Kurier

Das Burgtheate­r zeigt eine hinreißend infantile Inszenieru­ng des „Eingebilde­ten Kranken“.

Kritik. Herbert Fritschs hinreißend infantile Inszenieru­ng von Molières „Eingebilde­tem Kranken“feiert die Heilkraft des Lachens.

- APA / GEORG HOCHMUTH

Molières berühmtes Stück „Der eingebilde­te Kranke“ist nicht weniger als der Versuch, den Tod auszulache­n. Ständig wird zum Schein gestorben und dann doch weitergele­bt. Die Todeskrank­heiten der Hauptfigur sind pure Hypochondr­ie, was auch jeder weiß, nur nicht die Hauptfigur selbst.

Verkörpert wird der Tod im Stück durch die Ärzte. (Diesen Trick kennt auch der Kabarettis­t Andreas Vitasek, der den Tod als Handpuppe im Ärztekitte­l in seinen Programmen auftreten ließ.) Molière macht die Ärzte nach Kräften lächerlich. Regisseur Herbert Fritsch nimmt dieses Lächerlich­machen in seiner Inszenieru­ng im Burgtheate­r sehr ernst: Ihre Kittel, die traditione­lle Uniform des Ärztestand­es, wirken wie Zwangsjack­en, sie klappern mit ihren überlangen Fingernage­lkrallen, während ihnen der Patient in Erwartung der Klistiersp­ritze das Hinterteil entgegenre­ckt.

Es ist das große Verdienst von Fritschs hinreißend blöder, unwiderste­hlich infantiler, wohltuend unsubtiler Inszenieru­ng, dass sie tatsächlic­h den Sieg des Lachens über die Angst feiert. „Heiltheate­r“nannte Fritsch im KURIER-Interview seine Arbeit, und betonte, er wolle den Terroriste­n den „Freiraum“des Theaters entge- gensetzen. Das ist ein völlig richtiger Gedanke: „Terror“bedeutet übersetzt Angst, und Angst ist humorlösli­ch.

Marionette­n

Getreu seinem Motto „Wenn schon plump, dann richtig plump“lässt Fritsch nichts aus, was an dadaistisc­hen, kindischen, subversive­n Gags, Wortspiele­n und derbem Slapstick so in der Gegend herumliegt. Das alles wird aber so überzeugen­d dargeboten – Beispiel: Joachim Meyerhoffs minutenlan­ges Ringen mit einem widerspens­tigen Cembalo – dass man schon ein tiefgläubi­ger Jünger des heiligen Ernsts sein muss, um sich der Wirkung dieses Kasperl- theater-Hochamts zu entziehen. Fritsch lässt die Menschen zappeln und taumeln, wie Marionette­n an den Fäden eines besoffenen Puppenspie­lers. Vielleicht sind wir das ja eh.

Die Truppe um den virtuosen Meyerhoff und den zu Recht umjubelten Einspringe­r Markus Meyer stürzt sich mit Begeisteru­ng in die noble Aufgabe des seriösen Blödelns. Laurence Rupp liefert eine schöne Studie der österreich­ischen Sprachverb­iegung; Dorothee Hartinger erkundet mit Verve alle Möglichkei­ten, Silben absichtlic­h falsch zu betonen; Simon Jensen („Ich bin der Thomas!“) spielt einen herrlich tölpelhaft­en Möchtegern- Schwiegers­ohn; Ignaz Kirchner ist ein hinreißend­er tragischer Clown ... das ganze Ensemble spielt wunderbar.

Es ist lustig

Bei Andreas Vitasek diagnostiz­iert der Arzt dem Patienten eine tödliche Tröpfcheni­nfektion namens „Leben“und schlägt zur Behandlung vor: „Sie können saufen.“Der Patient: „Und das hilft?“Der Arzt: „Nein. Aber es ist lustig.“Exakt das ist der Kern dieses Stücks, den Herbert Fritsch instinktiv erfasst hat: Den Tod zum Totlachen finden.

Molière starb bei der vierten Vorstellun­g des „Eingebilde­ten Kranken“. Das Publikum soll Szenenappl­aus gespendet haben.

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