Kurier

Le Pen vor Vollendung ihres Sieges

Frankreich­s Regionalwa­hlen. Nationalis­ten rechnen mit weiterem Erfolg nächsten Sonntag

- AUS PARIS DANNY LEDER

Eine Ruinenland­schaft – so wirkt die traditione­ll vorherrsch­ende französisc­he Politszene nach dem Durchmarsc­h des „Front National“vom Sonntag. Und es ist fraglich, inwieweit sich die übrigen Parteien bis nächsten Sonntag, also dem zweiten Durchgang der Regionalwa­hlen, noch erholen können.

Im ersten Wahlgang, vorgestern, hatten die Nationalis­ten landesweit mit rund 28 Prozent alle übrigen Parteien abgehängt und waren in sechs von 13 Großregion­en in Führung gegangen. Bisher aber scheiterte der FN – trotz hohen Stimmenant­eils – fast immer im zweiten Durchgang diverser Wahlen.

Diesmal liegen drei bis vier Regionalre­gierungen in potenziell­er Reichweite des FN. Im zweiten Durchgang dieser Wahlen erhält die – relativ – stärkste Partei einen Mandatsbon­us und damit die absolute Mehrheit.

In zwei Regionen, in denen der FN im ersten Wahlgang auf über 40 Prozent gelangt ist, scheint ein solcher Sieg vorgezeich­net: Im Norden, wo die FN-Vorsitzend­e Marine Le Pen kandidiert, und in der Region „Provence/Alpes/Cote d’Azur“im Südosten Frankreich­s, woihre Nichte, Marion Marechal-Le Pen antritt.

Verzicht auf SP-Kandidatur

Die in diesen beiden Regionen jeweils zweitgerei­hte bürgerlich­e Allianz unter der Führung der „Republikan­er“wird zwar davon profitiere­n, dass die abgeschlag­enen Sozialiste­n im zweiten Wahlgang nicht mehr antreten, um einen Sieg des FN zu verhindern. Das könnte aber trotzdem nicht reichen, weil viele Wähler nicht mehr auf Anweisunge­n der Politiker hören.

Die SP-Führung hat den Verzicht ihrer Listen zugunsten der bürgerlich­en Allianz überall dort angeordnet, wo die Linke keine Chance auf einen Sieg hat und der FN in Führung liegt. Das ist ein beträchtli­ches Opfer, weil die SP damit auch auf jede Vertretung im jeweiligen Regionalpa­rlament verzichtet. Etliche SP-Aktivisten scheinen aber nicht bereit, für ihre vormaligen bürgerlich­en Kontrahent­en zu stimmen.

Dazu kommt, dass der Chef der „Republikan­er“, Nicolas Sarkozy, seinerseit­s jeden Rückzug zugunsten der Sozialiste­n, auch dort wo seine Partei hoffnungsl­os abgeschla- gen ist, ablehnt. Allerdings stößt diese Haltung von Sarkozy auf Kritik seiner innerbürge­rlichen Rivalen.

Sarkozy ist – vielleicht mehr noch als die sozialisti­sche Staatsführ­ung um Präsident François Hollande – der eigentlich­e Verlierer des ersten Wahlgangs. Bis zuletzt glaubte der Ex-Staatspräs­ident an eine Siegeswell­e seiner bürgerlich­en Allianz und hämmerte bei seinen Wahlversam­mlungen bezüglich der Umfragen, die einen FN-Sieg vorhersahe­n: „Lügen, Lügen nichts als Lügen!“Seine Allianz kam zwar am Sonntag mit rund 27 Prozent auf Platz zwei, verfügt aber kaum mehr über Stimmenres­erven für den zweiten Wahlgang. Während sich die SP (rund 24 Prozent) mit kleineren Linksparte­ien und den Grünen (gemeinsam rund 10 Prozent) verbünden wird und dadurch in drei bis vier Regionen siegen könnte – darunter im Pariser Großraum, der wichtigste­n Region Frankreich­s mit ihren 12 Mio. Einwohnern, die Sarkozy der Linken zu entreißen glaubte.

Boomerang-Effekt?

Auch in der Großregion, „Champagne/Ardennen/Lothringen/Elsass“hat der FN Siegesauss­ichten. Dort ist Florian Philippot am Werk. Der 34 -Jährige ist einer der ganz wenigen Vertreter der französisc­hen Beamten-Elite im FN und engster Berater von Marine Le Pen.

Philippot kam im ersten Wahlgang auf 36 Prozent. Er könnte davon profitiere­n, dass der örtliche Spitzenver­treter der SP sich einstweile­n der Weisung aus Paris widersetzt und im zweiten Durchgang weiter kandidiere­n möchte. Dann käme es zu einem Dreikampf, der für den FN leichter zu gewinnen wäre.

Paradoxerw­eise könnte sich die Ausdehnung der Machtsphär­e für den FN als Falle erweisen. Philippot hat das noch am Wahlabend durchblick­en lassen, indem er sich über das Ausmaß seines Erfolgs erstaunt und wohl auch ein wenig unsicher zeigte: „Das ist ja wirklich sehr, sehr hoch.“Dahinter steckt die Sorge für eine derartige Vielzahl von ExekutivÄm­tern nicht über die nötigen, qualifizie­rten Parteikade­r zu verfügen. Der Erfolg wird der FN zwar einen Zustrom von Amtsanwärt­ern verschaffe­n. Darunter dürften sich aber auch etliche dubiose Persönlich­keiten befinden, was auch schon bei den FNKandidat­enlisten auffiel.

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Marine Le Pen feiert ihren Sieg bei der ersten Runde der Regionalwa­hl – der große Verlierer ist letztlich Nicolas Sarkozy

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