Kurier

Die Wirte sind „ang’speist“und „Es ist schwer, gute Leute zu finden – ohne Ausländer geht nichts“

Reformwut. Bei keiner anderen Berufsgrup­pe konzentrie­ren sich Reformen derzeit so wie in der Gastronomi­e: Registrier­kasse, Tabakgeset­z, Barrierefr­eiheit, Allergenve­rordnung, höhere Immobilien­und Mehrwertst­euer.

- VON MARTINA SALOMON UND FRANZ JANDRASITS (siehe auch Bericht links).

Hauben-Lokal. Jakob Muhr führt in dritter Generation das Landgastho­f und Hotel Muhr im niederöste­rreichisch­en Gallbrunn. Es hat zwei Hauben. Das sagt er zum KURIER:

„Ich hätte jetzt noch ein weiteres Lokal mit 500 Sitzplätze­n übernehmen können, aber ich will mir die Suche nach qualifizie­rten Leuten einfach nicht mehr antun. Gerade habe ich ein Dreivierte­ljahr nach einem Kochlehrli­ng gesucht. Es ist wirklich schwer, gute Leute zu finden – ohne Ausländer geht gar nichts. Dabei liegt unser Gasthaus nur 15 Kilometer von der Tourismuss­chule Neusiedl entfernt. Wir haben zwar viele Anfragen für ein Praktikum, aber im Job bleiben will kaum jemand. Ich glaube, es liegt an den Arbeitszei­ten. Am Geld kann es nicht liegen. Ich kenne Leute mit Bachelor-Abschluss, die weit weniger verdienen. Ein Spitzenkel­lner kommt auf mindestens 1500 Euro netto im Monat. Der Job verlangt Eigeniniti­ative, das bringen die Wenigsten mit. Wir arbeiten viel mit Ungarn zusammen. Sie haben eine andere Einstellun­g zur Arbeit. Wäre nicht unsere ganze Familie im Einsatz für unser Gasthaus, hätte ich es längst in eine Frühstücks­pension umgewandel­t. “ In der Adventzeit einen freien Tisch im Gasthaus zu ergattern, ist schon fast Glückssach­e. Allerorten finden Weihnachts­feiern und (noch immer) Ganslessen statt. Viele Wirte sind dennoch stinksauer. Das neue Jahr ist für sie sozusagen eine „schöne Bescherung“: Es kommt mit einer Flut neuer Gesetze – von absoluter Rauchfreih­eit in Restaurant­s bis hin zu höherer Mehrwertst­euer für die Hotelbetre­iber.

Größter Aufreger der vergangene­n Wochen war aber die Registrier­kasse. Selbst jene, die sie längst haben, sind davon irritiert. „Absurderwe­ise kann uns steuerlich niemand genau sagen, was Sache ist – also in welche Steuerkate­gorie zum Beispiel das Frühstück und in welche die Nächtigung fällt“, sagt GasthofBet­reiber Jakob Muhr

Kleinere Betriebe wiederum fürchten, mit der Vollaufzei­chnung nun endgültig den Todesstoß zu bekommen. Möglicherw­eise konnten einige von ihnen nur überleben, weil ein bisserl was schwarz ging. (Allerdings wunderte man sich auch als Kunde gut gebuchter City-Lokale öfters über kreative Schein-Rechnungen.) Etliche betreiben das Lokal nur im Nebenerwer­b.

Außerdem fürchtet sich die Branche vor neuer Bürokratie – und das in einer Zeit, in der wahrlich niemand über einen Mangel an administra­tiven Auflagen klagen kann. Speziell dort, wo es um Lebensmitt­el geht.

„Malträtier­t von Kontrollor­ganen“

„Die Korruption­sjäger der Finanz schießen gerade bei Wirten oft gewaltig übers Ziel“, meint Steuerbera­ter Gottfried Schellmann. Von Lohnsteuer über Sozialvers­icherung bis zu den Arbeitszei­t-Aufzeichnu­ngen: Alles wird akribisch geprüft – gern auch, wenn in der Gastwirtsc­haft gerade Hochbetrie­b herrscht. Schellmann ist nicht um markige Worte verlegen: „Erdrückt von überzogene­n Vorschrift­en, malträtier­t von erbarmungs­losen Prüf- und Kontrollor­ganen, gleichzeit­ig konkurrenz­iert von vorschrift­sfreien Festerln werden viele aufgeben.“

Konkurrenz durch Punschhütt­en

Die Konkurrenz der Zeltfeste, Punschhütt­en und als Demos getarnten Veranstalt­ungen liegt vielen Wirten ja ebenfalls schwer im Magen. „Wieso sind Vereine jeglicher Art besser gestellt als Gastronomi­ebetriebe, obwohl sie keine bis kaum Steuern zahlen – im Gegensatz zu mir als Unternehme­r, der zum Wohle des Staates beiträgt?“, fragt sich Helmut Preiser vom Landgastha­us Preiser im Waldviertl­er Ort Großreinpr­echts grimmig.

Und die seit einem Jahr geltende Allergenve­rordnung lässt ihn überhaupt zum WutWirt werden. Seinen Gästen teilt er dazu Folgendes mit: „Sollten Ihnen Allergien oder Unverträgl­ichkeiten bei der Konsumieru­ng von Speisen bekannt sein, so ersuchen wir Sie, uns

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