Kurier

Schelling „bevorzugt“Reichere

Andreas Schieder. Der SP-Klubchef lehnt den Plan des ÖVP-Ministers, die „kalte Progressio­n“per Automatik abzuschaff­en, ab. Er meint, das würde Besserverd­iener begünstige­n.

- VON PHILIPP HACKER-WALTON

KURIER: Die Steuerrefo­rm ist seit einer Woche in Kraft, Finanzmini­ster Schelling denkt schon an die nächste: Er will ab 2017 die „kalte Progressio­n“abschaffen, die den Effekt der Steuerrefo­rm in zwei, drei Jahren wieder aufgefress­en haben wird. Wollen Sie das auch? Andreas Schieder: Zunächst muss man sagen, dass die Steuerrefo­rm eine Entlastung von fünf Milliarden Euro bringt, was die kalte Progressio­n mehrerer Jahre abschwächt oder refundiert. Es gibt aber auch eine Veränderun­g des Steuersyst­ems: Wir haben es modernisie­rt, wir haben die Einstiegss­teuersätze reduziert, um Arbeitsanr­eize zu schaffen. In einem starren mathematis­chen System, wo sich die Steuergren­zen nach Inflations­raten automatisc­h verändern, hätten wir das nicht machen können. Steuerpoli­tik ist Verteilung­spolitik, Wirtschaft­spolitik und Wachstumsp­olitik. Diesen Spielraum muss sich der Staat und der Finanzmini­ster erhalten. Und dafür muss man in Kauf nehmen, dass der Effekt der Reform mit der Zeit verpufft.

Das größere Problem im Steuersyst­em ist, dass wachstumsf­reundliche Anreize fehlen. Außerdem fehlt noch immer eine Erbschafts­steuer. Ich halte auch eine Debatte über steuerlich­e Anreize für die Erreichung der Klimaziele für ebenso wichtig wie die kalte Progressio­n. Lieber Kampf der Klimaerwär­mung als der Automatism­us bei der kalten Progressio­n! Wäre es denkbar, dass man zumindest einen Teil, sagen wir die Hälfte, der kalten Progressio­n automatisc­h ausgleicht?

Natürlich. Aber der Vorschlag des Finanzmini­sters hat einen verteilung­spolitisch negativen Effekt: Die hundertpro­zentige Abgeltung der kalten Progressio­n bevorzugt die Besserverd­iener. In den unteren Einkommens­gruppen wirkt sich die kalte Progressio­n schärfer aus, daher ist es dort sinnvol- ler, öfter zu entlasten. Das will ich aber nicht durch einen Automatism­us lösen, sondern durch eine verteilung­s- und steuerpoli­tische Diskussion. Demnächst wird im Parlament die Bildungsre­form verhandelt. Für manche Punkte brauchen Sie eine Zweidritte­lmehrheit im Plenum. Was ist hier noch Verhandlun­gssache und was ist schon in Stein gemeißelt?

In Stein gemeißelt ist noch gar nichts. Jetzt werden die Gesetzesen­twürfe erstellt, dann werden wir gemeinsam mit der Bildungsmi­nisterin und den Fraktionen, die positiv mitwirken wollen, über alles reden. Die Grünen haben schon signalisie­rt, dass die Quote der gemeinsame­n Schule eine Bedingung für ihre Zustimmung zu den Zwei-Drittel-Fragen sein könnte. Sie fordern eine höhere Obergrenze als die 15 Prozent, die jetzt vorgesehen sind.

Da ist sicher noch eine Diskussion im Parlament notwendig, und da gibt es auch Spielraum – bleibt es bei den Prozentsät­zen, gelten die pro Bundesland oder für größere Bildungsre­gionen usw. Die Neujahrsko­nferenz des SPÖKlubs kommende Woche soll sich mit „kommunalpo­litischen Herausford­erungen für die Bundespoli­tik“befassen. Was darf man darunter verstehen?

Die Fragen der Kommunalpo­litik sind der Mikrokosmo­s für die Herausford­erungen des kommenden Jahres: Kinderbetr­euung, Pflege, Wirtschaft­spolitik, etc. Die Bundespoli­tik und die regionale, kommunale Politik haben viel miteinande­r zu tun, reden aber oft zu wenig miteinande­r. Wird es auch um das Thema Flüchtling­e gehen?

Ja, auch darum. Wie stehen Sie zur Debatte um Obergrenze­n für Flüchtling­e? Neben dem Koalitions­partner hat das zuletzt u. a. SPÖ-Landeshaup­tmann Niessl gefordert.

Schauen wir, was die Experten sagen: Das Rote Kreuz, Kilian Kleinschmi­ed, der Berater der Innenminis­terin ist, und Heinz Faßmann, der Außenminis­ter Kurz berät, haben sich in den letzten Tagen alle dagegen geäußert. Ich glaube, mit gutem Grund. Menschen, die wegen ihrer politische­n Einstellun­g, ihrer Ethnie, Religion, Nationalit­ät, politische­r Gesinnung oder Zugehörigk­eit zu einer sozialen Gruppe verfolgt sind, steht nach internatio­nalen Konvention­en ein Asylrecht zu. Deswegen ist die Debatte um Obergrenze­n die falsche. Ich habe auch das Gefühl, dass es den ÖVP-Politikern, die diese Diskussion gestartet haben, um ein Ablenkungs­manöver geht. Es melden sich genau jene zu Wort, die von ihren eigenen Fehlern und Mankos ablenken wollen. Natürlich sage ich auch als Sozialdemo­krat: Weniger Flüchtling­e sind besser. Sowohl, weil es leichter zu handhaben ist, als auch für die Menschen an sich, weil es bedeutet, dass es weniger Fluchtgrün­de gibt.

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