Kurier

„Beschämend, chaotisch“: Polizei unter Druck

Übergriffe in Köln. Ein interner Bericht offenbart die Massivität der Angriffe und die Überforder­ung der Exekutive. Die Polizei schweigt – so bleiben viele Fragen.

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

Wer sind die Täter – und wer die Schuldigen?

Acht Tage nach den Vorfällen von Köln ist noch immer nicht klar, wer jene Männer waren, die Silvester zu einer Schreckens­nacht machten, die massenhaft Frauen attackiert­en, zwei sogar vergewalti­gten. Die Ergebnisse der Polizei sind dürftig: 16 Verdächtig­e habe man nach 121 Anzeigen bisher eruiert, ließ man am Donnerstag mitteilen. Aber Verhaftung­en? Gibt es noch keine.

Das ist nur ein Grund, warum sich die Polizei in der Domstadt nun auch mit ihrer eigenen Rolle in der Causa beschäftig­en muss: Ein interner Polizeiber­icht, verfasst von einem Bundespoli­zisten, der in der Nacht dabei war, lässt die Beamten nicht gerade gut dastehen – und er wirft ein völlig anderes Licht auf das, was die Polizei bisher preisgab. Von einer „chaotische­n und beschämend­en“Situation ist in dem Schriftstü­ck, das die

Bildzeitun­g und Spiegel on-

line publik gemacht haben, die Rede; schon während der Nacht hätten sich verängstig­te und weinende Frauen an die Polizei gewendet, sie hätten einen „Spießruten­lauf “„durch die stark alkoholisi­erten Männermass­en“absolviere­n müssen. Als Täter seien immer wieder männliche Migranteng­ruppen genannt worden, manche hätten Zeugen bedroht, andere demonstrat­iv ihre Aufenthalt­stitel zerrissen. Die Polizei sei völlig überforder­t gewesen – so sehr, dass er sogar Tote befürchtet habe, schreibt der Beamte.

Alles anders

Das alles klingt ganz anders, als es der Kölner Polizeiprä­sident Wolfgang Albers bisher dargestell­t hat. Er verwies stets darauf, dass man erst in den Tagen nach der Eskalation durch Anzeigen vom wahren Ausmaß des Exzesses erfahren habe, auch Hinweise auf Täter habe es zu Silvester keine gegeben. Stimmt so nicht, berichten nun die Zeitung Welt und der Kölner Ex

press: 100 Personen seien kontrollie­rt, einige davon auch festgenomm­en worden; darunter auch Flüchtling­e.

Keine Auskünfte

Kanzlerin Angela Merkel hat mit Nachdruck gefordert, „dass alles, was dort geschehen ist, auf den Tisch kommt“. Bis Montag wird ihre Forderung unbeantwor­tet bleiben: Bis dahin will die Exekutive, so ließ man verlauten, nämlich keine Auskünfte mehr zu dem Einsatz erteilen – man warte auf die Sitzung des Innenaussc­husses des nordrhein-westfälisc­hen Landtags, der die Sache dann behandeln will.

In der Kölner Stadtpolit­ik wird angesichts der Ereignisse nun offen nach einem Rücktritt des obersten Beamten gerufen – zumal es auch nicht der erste Fall ist, bei dem sich die Kölner Polizei wegen Überforder­ung rechtferti­gen muss. 2011 wurde sie von einem Hooligan-Aufmarsch überrannt; obwohl 50 Beamte verletzt und Autos zerstört wurden, behauptete man auch hier, „gut aufgestell­t“gewesen zu sein. „Ein ahnungslos­er Polizeiprä­sident ist genauso untragbar wie einer, der schlimme Ereignisse unter den Teppich kehren will“, heißt es aus der CDU.

Die offenen Fragen lassen deshalb vor allem in Internet die Spekulatio­nen gedeihen – und die Wut in der Bevölkerun­g hochkochen. Wieso man so lange gewartet hat, um die Sache publik zu machen? Hat man sie bewusst kleingehal­ten, um die in Köln ohnehin schon grassieren­den Ressentime­nts gegen Flüchtling­e nicht zu schüren? Den Zorn darüber muss Köln dann am Samstag auf der Straße erleben. PegidaAnhä­nger haben eine Demonstrat­ion vor dem Hauptbahnh­of angemeldet.

Fälle in der Schweiz

Auch in der Schweiz hat es am Silvestera­bend sexuelle Übergriffe auf Frauen gegeben. Ein halbes Dutzend Frauen gab an, im Anschluss an ein Feuerwerk in Zürich „von mehreren Männern mit dunklerer Hautfarbe“bestohlen und sexuell belästigt worden zu sein.

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Polizei vor dem Kölner Hauptbahnh­of: Wegen der Skandalnac­ht zu Silvester bleiben bereits Touristen aus – und die Polizei der Karnevalss­tadt muss sich gegen Vorwürfe verteidige­n, untätig gewesen zu sein

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