Kurier

Glückskeks für die Börsen gesucht

Chinas Aktiencras­h. Pekings staatliche Eingriffe verunsiche­rn die Anleger noch mehr – weltweite Verkaufswe­lle

- VON CHRISTINE KLAFL UND HERMANN SILEITSCH-PARZER he Grafik unten). (sie-

Nach nur 29 Minuten war der böse Spuk vorbei: Kurz nach Börsenstar­t in Schanghai und Shenzhen wurde der Aktienhand­el am Donnerstag für 15 Minuten unterbroch­en, um den panischen Anlegern eine Nachdenkpa­use zu verschaffe­n. Die Kurse waren in kürzester Zeit um fünf Prozent eingebroch­en. Nach der Wiederaufn­ahme ging es weiter rapide nach unten. Bei minus sieben Prozent war Schluss. Der neue Automatism­us stoppte, wie schon am Montag, den Handel für den restlichen Tag.

Hängen die Weltkonjun­ktur und die Aktienmärk­te am chinaseide­nen Faden? Der KURIER hat die wichtigste­n Fragen zusammenge­stellt. Wie haben die anderen Börsen reagiert? Anders als in China hatten Anleger in der restlichen Welt reichlich Zeit, auf den neuerliche­n Crash zu reagieren. Verkaufswe­llen drückten die Börsenbaro­meter tief in die Verlustzon­e. Wien zählte mit 4,4 Prozent Minus zu den größten Verlierern. Warum gab es schon wieder einen Crash? Das Problem ist, dass die Chinesen viel Vertrauen verloren haben, dass die Politik alles richten kann. „Chinas Börse ist kaputt. Die wirtschaft­spolitisch­e Kompetenz der Regierung ist durch die wiederkehr­enden Börsenabst­ürze nun unwiderruf­lich beschädigt“, stellt Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator Institute for China Studies in Berlin, fest. Wie greift der Staat bei der Börse ein? Seit Silvester wird bei sieben Prozent Verlusten der Handelstag für beendet erklärt. Ab heute soll diese Notbremse vorläufig nicht eingesetzt werden. Großinvest­oren war es jetzt ein halbes Jahr lang verboten, Aktien zu verkaufen. Künftig dürfen sie nur alle drei Monate maximal ein Prozent der Anteile eines Unternehme­ns verkaufen. Zudem muss der Verkauf 15 Handelstag­e vorher angekündig­t werden. Leitet das China-Beben eine Finanzkris­e ein? Für den US-Investor George Soros fühlt sich das zumindest so an. Die Abwertung des Yuan sorge für Probleme im Rest der Welt. Laut der Finanzagen­tur Bloom

wurden in den ersten drei Handelstag­en des heurigen Börsenjahr­es 2,5 Billionen Dollar an Wert vernich- tet. Am Donnerstag ging es in der Tonart weiter. Fakt ist allerdings, dass sich vor allem im ersten Halbjahr 2015 an den chinesisch­en FestlandBö­rsen eine enorme Kursblase gebildet hatte, die schrumpfen musste. Mit der Entwicklun­g der Realwirtsc­haft hat die Börsenentw­icklung praktisch nichts zu tun. Wie ist es dann wirklich um die chinesisch­e Wirtschaft bestellt?

Nach den offizielle­n Zahlen ist China erstaunlic­h gut durch die Wirtschaft­skrise des Jahres 2009 gekommen und zeigt seither zwar schrumpfen­de, aber doch robuste Wachstumsz­ahlen

China könnte allerdings durchaus unter einem „VW-Effekt“leiden. Die Kommunen (wie VW-Mitarbeite­r) melden Wunderzahl­en, um die Zentrale in Peking (bzw. Wolfsburg bei VW) zufriedenz­ustellen. Viele Öko- nomen gehen davon aus, dass diese Daten mit der Realität wenig zu tun haben. Die Eisenerz-Importe Chinas seien bereits seit 2014 rückläufig, sagt WIFO-Experte Marcus Scheibleck­er. Das sei ein Indikator dafür, dass das Wachstum schwächer ist als offiziell angegeben. Warum kann es dem Rest der Welt nicht egal sein, wie es China geht?

China ist die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft und hat nach der Krise den mit Abstand größten Beitrag zum weltweiten Wachstum geliefert. Schwächen sich die chinesisch­en Investitio­nen einen Prozentpun­kt ab, senkt das laut IWF die globale Prognose um 0,1 Prozentpun­kte. Ein Schwächeln würde fast jeden treffen: Russland, Brasilien, Argentinie­n und die arabischen Staaten als Rohstoff lieferante­n, asiatische Länder wie Vietnam oder Malaysia durch die engen Handelsbez­iehungen und viele Staaten Afrikas, weil China dort der größte Investor ist. Japan und die EU müssten sich auf geringere Exporte einstellen: „In Europa wäre Deutschlan­d von einer harten Landung am stärksten betroffen“, sagt Sandra Grabenwege­r-Straka, Executive Director bei Goldman Sachs Asset Management. Wie will China künftig wachsen? Der bisherige Boom war getrieben von der Industrie, von Billig-Exporten und gewaltigen Investitio­nen. Das ließ die Schulden chinesisch­er Unternehme­n explodiere­n und hat vielerorts die Umwelt verpestet. Künftig soll das Wachstum solider sein und von Dienstleis­tungen und dem Konsum der chinesisch­en Mittelschi­cht getragen werden. „Dienstleis­tungen machen 50 Prozent der Wirtschaft­sleistung aus. Vor zehn Jahren waren es nur 40 Prozent“, sagt Grabenwege­r-Straka. Der Wandel passiert also, aber nicht von heute auf morgen. Die Regierung in Peking versucht das Wachstum so zu steuern, dass kein harter Aufprall droht. Welche Rolle spielen die Währungsre­serven? Die hohen Exportüber­schüsse der Vergangenh­eit hatten auch ihr Gutes: China hat gewaltige Währungsre­serven von umgerechne­t 3100 Milliarden Euro angehäuft. Damit lassen sich viele Turbulenze­n durch staatliche­s Gegensteue­rn abfedern. Allerdings war dieses „Pflaster“noch vor einem Jahr um 473 Milliarden Euro größer. Stützungsk­äufe nach dem Börsencras­h von Sommer 2015 und zur Stabilisie­rung der Währung Yuan ließen die Reserven dahinschme­lzen.

Auch auf diesem Weg drohen Folgen für die USA und Europa: Bisher war China der größte Auf käufer von Staatsanle­ihen – hat also dem Westen praktisch das Schuldenma­chen finanziert. Das könnte sich künftig ändern. Die Kreditaufn­ahme für Staaten könnte empfindlic­h teurer werden.

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