Kurier

„Man ist wieder öffentlich Fan“

Interview. Hannes Eder über Quoten, Downloads, Streamingd­ienste und den heimischen Musikmarkt

- VON MARCO WEISE

Das abgelaufen­e Popjahr war aus österreich­ischer Sicht ein sehr erfolgreic­hes. Wanda und Bilderbuch lösten in Deutschlan­d eine „Neue österreich­ische Welle“aus. Generell gilt: Musik „Made in Austria“ist wieder en vogue: Aktuell machen Seiler und Speer mit „Ham Kummst“von sich reden.

Trotzdem kam kein heimischer Act in puncto Verkaufsza­hlen an DER Blondine Deutschlan­ds vorbei: Helene Fischer. Mit „Weihnachte­n“legte der Schlagerst­ar das meistverka­ufte Album 2015 vor, wie Hannes Eder dem KURIER bestätigt. Der General Manager von Universal Music Austria und Präsident des Verbands der österreich­ischen Musikwirts­chaft im Interview über den Zustand des heimischen Musikmarkt­es. KURIER: Pop spielt im Leben junger Menschen anscheinen­d eine geringere Rolle als früher. Sehen Sie das ähnlich? Bereitet Ihnen das Sorgen? Hannes Eder: Die Begriffsde­finition von „Pop“ist vielleicht einfach eine andere als vor 20 Jahren. Das „Mainstream­Publikum“existiert so nicht mehr, die Genres sind in unzählige kleinere aufgeteilt. Die aktuellen Erfolge heimischer Popmusik weisen eher darauf hin, dass Pop sehr wohl eine große Rolle spielt. Musik ist auch einer der wesentlich­en Traffic-Erzeuger im Internet und in sozialen Netzwerken. Neun von zehn der meistgeseh­enen Videos auf YouTube sind Musikvideo­s, und die beliebtest­en Facebook-Profile stammen von Musikern oder Bands. Was sagen Sie zum Erfolg von Wanda und Bilderbuch?

Darüber freue ich mich natürlich. War auch höchst an der Zeit, dass nördlich von Passau wieder österreich­ische Töne Gehör finden, die aus der sogenannte­n IndieSzene kommen. Amüsant war auch zu beobachten, dass diesen Bands die ganz große mediale Aufmerksam­keit im Heimatland auch erst nach dem deutschen Medien-Hype zuteil wurde. Welche Rolle Plattenver­käufe Hypes?

Als Multiplika­tor freilich eine sehr große. Wanda haben z. B. mit dem Album „Amore“Platz zwei und mit „Bussi“Platz eins der Verkaufsch­arts erreicht. Bilderbuch schafften mit „Schick Schock“ebenfalls Platz eins. Seiler und Speer führen mit „Ham Kummst“die aktuellen Single-Charts an. Dennoch, ohne die vielen überzeugen­den Konzerte kommt man auch nicht da hin. spielen die bei solchen

So entwickelt sich der Markt Wie schlägt sich der Erfolg bei den Verkaufsza­hlen auf den Rest der Szene nieder?

Die Erfolge haben höhere Verkaufsza­hlen und somit höhere Einnahmen zur Folge. Viel wichtiger noch: Nach längerer Durststrec­ke hat die heimische Musikszene Messbares vorzuweise­n. Das wurde ja auch von manchen Medienvert­retern die letzten Jahre als eher aussichtsl­oses Unterfange­n dargestell­t. Ist ein bisschen wie beim Fußball – mit einer NationalMa­nnschaft, die internatio­nal keinen Vergleich zu scheuen braucht, ist man auch viel lieber und leichter wieder öffentlich Fan. Stichwort: Quote. Der ORF hat die 15 Prozent weit überschrit­ten. Ist diese Diskussion damit bis auf Weiteres vom Tisch?

Die 15 Prozent ( haben wir in wirklich zähen, langjährig­en Verhandlun­gen und mit der nötigen politische­n Unterstütz­ung – Dank an SPÖ-Kulturspre­cherin Elisabeth Hakel an dieser Stelle! – erreicht. Von „weit überschrit­ten“kann nicht die Rede sein. Jetzt heißt es dranbleibe­n und diese Marke ausbauen. Zum Markt allgemein: Haben die Kauf-Downloads 2015 weiterhin abgenommen?

Die Downloads ganzer Alben entwickeln sich stabil und sind nach der CD das zweitgrößt­e Marktsegme­nt. Was einzelne Songs betrifft, verlagert sich das Geschäft immer stärker vom Download zum wachsenden Streamingm­arkt. Wie stehen Sie grundsätzl­ich zu Streaming-Plattforme­n?

Sehr positiv. Die kräftigen Impulse aus dem StreamingM­arkt bringen die gesamte Branche wieder in Schwung. Streaming schlägt bei den Konsumente­n ein wie selten ein Musikservi­ce zuvor. Es gibt den Vorwurf, dass vom Streaming nur die bereits bekannten Acts profitiere­n.

Wer bei den Musikfans am erfolgreic­hsten ist – also am häufigsten gestreamt wird – profitiert auch am meisten. Wahr ist, dass sich die Zielgruppe etwas anders zusammense­tzt als bei CDs oder Downloads. Wenn man schon Trends ablesen möchte, dann eher in Richtung der Genres wie etwa Dance, Electronic, Hip-Hop, die auf StreamingP­lattformen höhere Anteile verbuchen können. Und das Album hat im Streaming nicht den gleichen Stellenwer­t, da geht es umSongs und Playlisten. Spotify wehrt sich gegen Ausbeutung­svorwürfe: Die Vergütung für Musiker sei fair, das Problem liege bei der Musikindus­trie. Was sagen Sie dazu?

Solche Debatten entstehen meist deshalb, weil die Geschäftsm­odelle von Streaming-Abos und dem Download- oder CD-Verkauf fundamenta­l verschiede­n sind: Wird eine CD oder ein Download verkauft, bekommen die Künstler mehr Geld, aber eben nur für diese einmalige Transaktio­n. Wer ein Streaming-Abo hat, hört seine Lieblingss­ongs immer wieder, oft über viele Jahre. Für jeden Stream fallen dann zwar nur kleinere Beträge an, aber langfristi­g kommt meist mehr zusammen als beim einmaligen Kauf. Dennoch: Nicht alle Künstler stellen den Streamingd­iensten ihre Musik zur Verfügung.

Wenn sich Künstler gegen Streaming entscheide­n, ist das zu akzeptiere­n. Allerdings hat das zur Folge, dass gerade jüngere Fans, die Streaming-Abos haben, deren Musik vielleicht nie entdecken werden. Es gibt glaub- würdige Prognosen, dass Streaming im Jahr 2020 mehr als zwei Drittel des globalen Musikmarkt­es ausmachen wird. Ich empfehle daher jedem Künstler, alle Vertriebsm­öglichkeit­en gleicherma­ßen zu nützen. Ist das Zeitalter der illegalen Downloads wegen der FlatrateAn­gebote beendet?

Es ist gelungen, mit attraktive­n Angeboten wie Streaming-Abos nicht autorisier­te Downloads aus Online- Tauschbörs­en einigermaß­en in den Griff zu bekommen. Dennoch ist der Musikkonsu­m aus illegalen Quellen nach wie vor ein nicht zu unterschät­zendes Problem. Und der Vinyl-Hype?

Wir erwarten ein Umsatzplus von 25 bis 30 Prozent. Derzeit ist jedenfalls kein Ende der positiven Entwicklun­g bei Schallplat­ten abzusehen.

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