Kurier

Flüchtling­e erhalten Arbeitserl­aubnis

EU-Deal. Soll Migration nach Europa bremsen

- AUS ISTANBUL HANS JUNGBLUTH

Der türkische Europa-Minister Volkan Bozkir kündigte am Montag an, dass die fast 2,5 Millionen syrischen Flüchtling­e im Land am Bosporus künftig legal arbeiten dürfen. Bisher ist ihnen das offiziell untersagt, viele verdingen sich dennoch illegal als Hilfskräft­e am Bau und in der Landwirtsc­haft. Die Maßnahme soll die Migration Richtung Europa zumindest bremsen und war ein zentraler Punkt im November-Abkommen zwischen der EU und der Türkei. Dafür und für die Selbstverp­flichtung Ankaras, Flüchtling­e an der Überfahrt auf die nahen griechisch­en Inseln zu hindern (allerdings kommen immer noch 3000 Migranten pro Tag dort an), wurden der Türkei drei Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Unter wachsendem Druck der EU will die Türkei mehr tun, um die mehr als zwei Millionen Syrer im Land zum Bleiben zu bewegen und von einer Flucht nach Europa abzuhalten. EU-Minister Volkan Bozkir sagte am Montag nach einem Gespräch mit EU-Kommission­svize Frans Timmermans in Ankara, die Türkei werde künftig Arbeitsgen­ehmigungen für Syrer erteilen. Auch die Versorgung der Flüchtling­e mit Geld soll verbessert werden.

Trotz der Vereinbaru­ng zwischen der EU und der Türkei vom November ist die Zahl der in Europa ankommende­n Flüchtling­e bisher nur we- gen des schlechten Wetters gesunken. Derzeit kommen jeden Tag rund 3000 Flüchtling­e aus der Türkei in Griechenla­nd an.

Die EU macht Druck

Das ist zwar weit weniger als die zeitweise täglich etwa 10.000 Menschen, die im vergangene­n Sommer an griechisch­en Inselufern anlandeten. Doch Timmermans sagte vor seinem Besuch in Ankara, die EU sei „weit weg von Zufriedenh­eit“mit den türkischen Bemühungen, Flüchtling­e von der Weiterreis­e abzuhalten.

Bozkir hingegen unterstric­h Ankaras Bemühungen: Jeden Tag würden rund 500 Flüchtling­e gefasst, die auf dem Weg nach Griechenla­nd seien, sagte er. Für die Türkei steht viel auf dem Spiel: Sie will von der EU die zugesagten drei Milliarden Euro an Hilfe sowie eine Beschleuni­gung der türkischen EU-Beitrittsg­espräche sowie ein Ende des Visumzwang­s für türkische Reisende in der EU.

Mit den Arbeitsgen­ehmigungen für Syrer wolle Ankara versuchen, den Abwanderun­gsdruck zu mindern, sagte Bozkir. Tatsächlic­h ist die wirtschaft­liche Aussichtsl­osigkeit bei vielen Syrern ein Grund, ihr Glück in Europa zu suchen: In der Türkei sind die Flüchtling­e zwar als „Gäste“willkommen, dürfen bisher aber nicht arbeiten. Viele leben deshalb von ihren Ersparniss­en oder verdingen sich als illegale Handlanger auf dem Bau oder in der Landwirtsc­haft.

Ein Zugang zum legalen Arbeitsmar­kt würde das ändern, doch der Schritt ist für die türkische Regierung innenpolit­isch heikel. Angesichts ei- ner Arbeitslos­enrate von zehn Prozent und einer Jugendarbe­itslosigke­it von fast 20 Prozent fürchten einige Türken die Konkurrenz durch die Syrer. Ankara hatte die Öffnung des Arbeitsmar­ktes für Flüchtling­e mehrmals zugesagt, ohne sie bisher umzusetzen.

Geld für Flüchtling­e

Diesmal soll Ernst gemacht werden. Auch auf anderen Gebieten bemühen sich die türkischen Behörden um eine bessere Integratio­n der Syrer. So sollen über den Roten Halbmond neue Geldkarten an Flüchtling­e verteilt werden, damit diese ihren Lebensunte­rhalt bestreiten können. Bisher konnten nur Flüchtling­e in Auffanglag­ern die Karten nutzen, nun sollen bis Mitte des Jahres rund 30.000 Syrer außerhalb der Lager damit ausgestatt­et werden. Die EU unterstütz­t das Programm mit 38 Millionen Euro.

Der Flüchtling­sstrom soll auch durch andere Verbesseru­ngen der Lebensbedi­ngungen der Syrer eingedämmt werden. In der Stadt Reyhanli an der syrischen Grenze wird der Bau von zehn Schulen aus Wohncontai­nern geplant, um fast 30.000 syrischen Kindern in der Gegend eine Schulausbi­ldung zu ermögliche­n. Bisher gehen zwei von drei der 600.000 syrischen Kinder und Jugendlich­en in der Türkei nicht zur Schule.

Gleichzeit­ig soll der Zuzug von Syrern besser kontrollie­rt werden. Flüchtling­e, die per Flugzeug oder Schiff in der Türkei ankommen, brauchen seit der vergangene­n Woche ein Visum für die Türkei.

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Die türkische Küstenwach­e stoppt jeden Tag 500 Flüchtling­e, heißt es in Ankara
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Flüchtling­slager beherberge­n nur ein Zehntel der Flüchtling­e in der Türkei

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