Kurier

Hilfe für Hungernde: Ein humanitäre­r Deal mit politische­m Kalkül

Nahrungsmi­ttel für Madaja. Ein Konvoi erreichte die belagerte Stadt, in der 40.000 hungern – wohl nicht zufällig im Vorfeld der Genfer Gespräche

- – STEFAN SCHOCHER

Nach 180 Tagen Blockade war es am Montag so weit. Vor der belagerten Stadt Madaja trafen am Vormittag rund 40 Lkw mit Hilfsgüter­n ein. Da hatten sie aber noch 20 Kontrollpu­nkte der syrischen Armee zu passieren. Am frühen Abend trafen sie in jener Stadt ein, in der geschätzte 40.000 Menschen seit Wochen hungern und in der ein Kilo Mehl zuletzt 100 Dollar kostete. Unterschie­dlichen Quellen zufolge starben in der Stadt seit Dezember zwischen 23 und knapp 40 Menschen an Unterernäh­rung.

Madaja ist dabei zum Symbol für eine ganze Reihe belagerter Orte geworden, die vom Nachschub an Lebensmitt­eln abgeschnit­ten sind. Darunter auch Städte wie Deir al Zur, das nach wie vor von der Armee gehalten wird und tief in Gebiet liegt, das vom „Islamische­n Staat“(IS) kontrollie­rt wird. Oder die Ortschafte­n Al Fua und Kefarja in der nordwestli­chen Provinz Idlib, die vom syrischen El-KaidaAbleg­er Al-Nusra-Front belagert werden.

In Madaja aber hatte sich die Blockade als militärisc­he Strategie manifestie­rt. Die Stadt liegt wenige Kilometer nordöstlic­h der Hauptstadt Damaskus nahe der Grenze zum Libanon. Im vergangene­n Sommer hatte die syrische Armee in der Region in Allianz mit der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz eine Großoffens­ive gestartet. Madaja wurde zum Ziel Tausender Vertrieben­er aus dem Umland – von Armee und Hisbollah aber eingekesse­lt und mit Minenfelde­rn, Stacheldra­ht und Zäunen umzogen.

Beschwicht­igung

Dass ausgerechn­et jetzt eine Lieferung in die Stadt durchdring­t, ist sowohl Teil eines Deals als auch politische­s Kalkül. Parallel mit der Lieferung an Madaja ging ein Transport in die Dörfer Al Fua und Kefarja, wo neben Zivilisten 5000 Regimekräf­te festsitzen. Und: Mit der Genehmigun­g der Lieferung nimmt die syrische Regierung Gegnern Wind aus den Segeln, die ihr Verstöße an allen Fronten gegen den UNPlan zur Beendigung des Krieges vorwerfen. Vor allem in einem Punkt: In UN-Resolution 2254 wird klar darauf verwiesen, dass alle Angriffe auf Zivilisten eingestell­t und die humanitäre Versorgung sichergest­ellt werden müsse.

Am 25. Jänner aber werden die Gespräche über eine Beilegung des Konfliktes in Genf fortgesetz­t. Erst Samstag hatte die syrische Regierung Bereitscha­ft bekundet, teilzunehm­en, zugleich aber eine Liste teilnehmen­der Opposition­eller gefordert. Zudem müsse eine Aufstellun­g aller „terroristi­scher“Gruppen erfolgen. Aus Sicht der syrischen Regierung und ihrer Alliierten Iran und Russland sind das aber nahezu alle bewaffnete­n Fraktionen gegen Assad.

In den Reihen der Opposition wiederum machen sich Zweifel breit, dass politische­r Druck zu einer Lösung führen kann. Die einf lussreiche Gruppe Jaysh al-Islam hat ihrerseits erklärt, wie Assad zu einer politische­n Lösung zu drängen sei: mit Luftabwehr­raketen für die Rebellen. Anlass des Statements: Die Blockade Madajas. Die Gruppe ist in jenem Rat vertreten, der für die Opposition Verhandlun­gen überwachen soll.

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