Hilfe für Hungernde: Ein humanitärer Deal mit politischem Kalkül
Nahrungsmittel für Madaja. Ein Konvoi erreichte die belagerte Stadt, in der 40.000 hungern – wohl nicht zufällig im Vorfeld der Genfer Gespräche
Nach 180 Tagen Blockade war es am Montag so weit. Vor der belagerten Stadt Madaja trafen am Vormittag rund 40 Lkw mit Hilfsgütern ein. Da hatten sie aber noch 20 Kontrollpunkte der syrischen Armee zu passieren. Am frühen Abend trafen sie in jener Stadt ein, in der geschätzte 40.000 Menschen seit Wochen hungern und in der ein Kilo Mehl zuletzt 100 Dollar kostete. Unterschiedlichen Quellen zufolge starben in der Stadt seit Dezember zwischen 23 und knapp 40 Menschen an Unterernährung.
Madaja ist dabei zum Symbol für eine ganze Reihe belagerter Orte geworden, die vom Nachschub an Lebensmitteln abgeschnitten sind. Darunter auch Städte wie Deir al Zur, das nach wie vor von der Armee gehalten wird und tief in Gebiet liegt, das vom „Islamischen Staat“(IS) kontrolliert wird. Oder die Ortschaften Al Fua und Kefarja in der nordwestlichen Provinz Idlib, die vom syrischen El-KaidaAbleger Al-Nusra-Front belagert werden.
In Madaja aber hatte sich die Blockade als militärische Strategie manifestiert. Die Stadt liegt wenige Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Damaskus nahe der Grenze zum Libanon. Im vergangenen Sommer hatte die syrische Armee in der Region in Allianz mit der libanesischen Hisbollah-Miliz eine Großoffensive gestartet. Madaja wurde zum Ziel Tausender Vertriebener aus dem Umland – von Armee und Hisbollah aber eingekesselt und mit Minenfeldern, Stacheldraht und Zäunen umzogen.
Beschwichtigung
Dass ausgerechnet jetzt eine Lieferung in die Stadt durchdringt, ist sowohl Teil eines Deals als auch politisches Kalkül. Parallel mit der Lieferung an Madaja ging ein Transport in die Dörfer Al Fua und Kefarja, wo neben Zivilisten 5000 Regimekräfte festsitzen. Und: Mit der Genehmigung der Lieferung nimmt die syrische Regierung Gegnern Wind aus den Segeln, die ihr Verstöße an allen Fronten gegen den UNPlan zur Beendigung des Krieges vorwerfen. Vor allem in einem Punkt: In UN-Resolution 2254 wird klar darauf verwiesen, dass alle Angriffe auf Zivilisten eingestellt und die humanitäre Versorgung sichergestellt werden müsse.
Am 25. Jänner aber werden die Gespräche über eine Beilegung des Konfliktes in Genf fortgesetzt. Erst Samstag hatte die syrische Regierung Bereitschaft bekundet, teilzunehmen, zugleich aber eine Liste teilnehmender Oppositioneller gefordert. Zudem müsse eine Aufstellung aller „terroristischer“Gruppen erfolgen. Aus Sicht der syrischen Regierung und ihrer Alliierten Iran und Russland sind das aber nahezu alle bewaffneten Fraktionen gegen Assad.
In den Reihen der Opposition wiederum machen sich Zweifel breit, dass politischer Druck zu einer Lösung führen kann. Die einf lussreiche Gruppe Jaysh al-Islam hat ihrerseits erklärt, wie Assad zu einer politischen Lösung zu drängen sei: mit Luftabwehrraketen für die Rebellen. Anlass des Statements: Die Blockade Madajas. Die Gruppe ist in jenem Rat vertreten, der für die Opposition Verhandlungen überwachen soll.