Kurier

Die Lizenz zum Zocken: An der Börse endet Pekings Macht

Chinas Börsencras­h. Aktienmärk­te und staatliche Kontrolle: Das verträgt sich nicht, sagt ChinaExper­tin Sandra Heep.

- VON H. SILEITSCH-PARZER rics) Me- 300) (CSI

Die Geister, die sie rief, wird sie nun nicht los: Chinas Regierung steht dem Treiben an den Börsen machtlos gegenüber. Der Crash setzte sich am Montag fort, die Aktien-Indizes in Schanghai und Shenzhen verloren gut fünf bzw. sechs Prozent.

Staatliche Eingriffe machten die Lage nur noch schlimmer. „Es gibt einen fundamenta­len Widerspruc­h zwischen der Marktdynam­ik und dem Bedürfnis der Regierung, alles zu steuern und zu kontrollie­ren“, sagt Sandra Heep von der Berliner Denkfabrik Mercator Institute for China Studies (

zum KURIER: „Mit dieser Interventi­onspolitik wird es keine funktionie­renden Aktien- und Anleihenmä­rkte geben können.“

Gegründet wurden die Börsen Shenzhen und Schanghai 1990 – mit dem Ziel, die meist staatliche­n Konzerne zu finanziere­n. Die sind mittlerwei­le hoch verschul- det. Deshalb startete Chinas Führung im Sommer 2014 eine Werbekampa­gne. „Privatpers­onen wurden durch staatliche Propaganda­kanäle geradezu zu einem Aktienkauf gedrängt“, sagt Heep. Mit Erfolg. Die Mittelschi­cht hoffte, so noch rascher zu Wohlstand zu kommen.

Schwer zu bändigen

Das Kasino florierte: Der Index der größten Firmen

stieg binnen eines Jahres von 2200 auf 5400 Zähler. Und rasselte im Sommer 2015 runter auf 3000. Womit sich die Kommunisti­sche Partei ein massives Problem eingehande­lt hatte: „Sie stand nun in der Verantwort­ung, für Abhilfe zu sorgen.“

Die Börse mit Zigtausend­en Kleinanleg­ern zu steuern ist freilich ein anderes Kaliber als Banken zu bändigen, bei denen Parteimitg­lieder im Chefsessel sitzen. Im Sommer 2015 versuchte die Führung, die Aktienkurs­e mit Stützungsk­äufen zu stabilisie­ren. Vergeblich. Die Kleinanleg­er nahmen das dankbar hin – und sogleich Reiß- aus. Die Kurse rasselten noch tiefer in den Keller. Nach Uralt-Manier suchte Peking Schuldenbö­cke unter Journalist­en, Hedgefonds­managern und Regulierer­n – ein reines Ablenkungs­manöver.

Ebenfalls nach hinten los ging ein am 8. Juli 2015 verhängtes, sechsmonat­iges Aktien-Verkaufsve­rbot für Großaktion­äre. Aus Angst, dass sich diese bei erster Gelegenhei­t verabschie­den, rannten die Kleinanleg­er knapp vor dem Auslaufen zum Ausgang. Die Verkaufswe­lle löste den jüngsten Crash aus. Ein Stoppmecha­nismus, der die Verluste begrenzen sollte, bewirkte das Gegenteil und wurde nach vier Tagen wieder entsorgt.

Heep hat Zweifel, ob Peking gewillt ist, die Zügel an den Börsen locker zu lassen. Für die Internatio­nalisierun­g sieht sie vorerst schwarz: „Welcher ausländisc­he institutio­nelle Investor will in dieser Situation noch einsteigen?“Der Aktienbesi­tz für Ausländer ist stark limitiert, sie machen nur zwei Prozent der Investoren aus. Die Dimension der Börsen ist immer noch gewaltig. In Shenzhen sind 1747 Firmen gelistet, die 2650 Mrd. Euro wert sind. In Schanghai sind es 1081 Firmen mit 4120 Mrd. Euro.

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