Kurier

Übergriffe: Pfefferspr­ay als Verkaufshi­t

Sexualdeli­kte. Engpass bei Waffenhänd­lern / Vergewalti­gte Frau kritisiert Polizei: „Täterschut­z statt Opferschut­z“

- VON UND R. PEYERL, T. SENDLHOFER R. LINDORFER 11 00) ( 0662/88

Die intensive Berichters­tattung über Massenüber­griffe mutmaßlich­er Migranten zu Silvester in Köln und Salzburg zeigt bei den (potenziell­en) Opfern Wirkung: Sie erstatten immer häufiger Anzeige, sie bewaffnen sich mit Pfefferspr­ays und sie verschaffe­n sich verstärkt Gehör.

In Wien und in Salzburg berichten Waffenhänd­ler von einem regelrecht­en Ansturm besorgter Menschen. Das Interesse an Artikeln zur Selbstvert­eidigung sei höher denn je. Franz Dorfners Vorrat an Pfefferspr­ay in seinem Waffengesc­häft in Wien-Favoriten ist bereits ausverkauf­t. „Ich rechne damit, dass ich die nächste Lieferung erst in zwei bis vier Wochen bekomme“, sagt er.

Bei Constanze Dorn vom Jagdgeschä­ft Dschulnigg in Salzburg standen die Kunden für Pfefferspr­ays Schlange. „Das, was Freitag und Samstag los war, habe ich noch nie erlebt“, sagt sie. Sie hat bereits einige hundert Stück nachbestel­lt.

Soziale Medien

Auch bei Reinhold Sodia waren Pfefferspr­ays am Montag vergriffen. Ereignisse wie die Terroransc­hläge in Paris und die nun bekannt gewordenen Übergriffe seien deutlich spürbar. „Es kommen nun Menschen zu mir, die normalerwe­ise kein Waffengesc­häft betreten würden“, erzählt Sodia. Verstärkt werde der Effekt von den sozialen Medien. Sodias Firma postete auf Facebook ein Bild einer Pfefferspr­ay-Dose und dem Beisatz „Wenn eine Armlänge nicht ausreicht“(

gefällt 1200 Personen und wurde über 360-mal geteilt.

Pfefferspr­ays und Elektrosch­ocker seien jedoch das falsche Mittel, werden Sicherheit­sexperten nicht müde zu betonen. „Sie können auch gegen das Opfer eingesetzt werden“, erklärt etwa Angelika Breser vom 24Stunden-Frauennotr­uf der Stadt Wien. Viel sinnvoller seien sogenannte Taschenala­rmgeräte. Sie sind etwa so groß wie eine Walnuss und ab 10 Euro zu haben. Zieht man an einem Band, löst sich ein Stift und es ertönt ein schriller, bis zu 130 Dezibel lauter Ton. „Der Lärm soll Aufmerksam­keit von Zeugen erregen und die Täter erschrecke­n“, erklärt Breser. „Eine Garantie ist das nicht, aber es ist wichtig, etwas zu haben, mit dem man sich zumindest sicherer fühlt.

Dieses Mittel empfiehlt auch der Frauennotr­uf in Salzburg den zahlreiche­n Anruferinn­en, die seit den Übergriffe­n zu Silvester dort Rat suchen. „Wir spüren derzeit eine enorme Alarmierth­eit. Deshalb ist die Erreichbar­keit unserer Hotline

noch bis Sonntag auf 24 Stunden ausgedehnt“, sagt Leiterin Andrea Laher.

Tabuzone

Den Übergriffs­opfern stößt vor allem auch die Informatio­nspolitik der Exekutive sauer auf: Sexualdeli­kte werden von der Polizei in der Öffentlich­keit als Tabu behandelt, angeblich dem Opferschut­z zuliebe. Ein Vergewalti­gungsopfer kritisiert dem KURIER gegenüber, dass Polizei und Justiz den Opferschut­z missbrauch­en und dadurch Täterschut­z betreiben würden: „Den Opfern wird vermittelt, dass es zu ihrem Schutz sei, wenn ja niemand erfährt, dass so etwas passiert ist. Aber genau das schützt die Täter“, sagt die junge Frau.

Die heute 25-jährige Wienerin war 2006 als 15-Jährige von einem Salzburger Hundetrain­er mehrmals vergewalti­gt worden. Der Mann musste keinen Tag ins Gefängnis, er durfte seine Strafe mit Fußfessel verbüßen. Das Opfer hatte unangenehm­e Begegnunge­n mit dem Vergewalti­gter und schlug damals Alarm.

Zur Debatte über den Umgang mit Sexualdeli­kten sagt sie: „Die Opfer sind nach so einer Tat geschockt, es ist ihnen peinlich und sie geben sich selbst die Schuld. Hören Betroffene jedoch, dass sie nicht die einzigen Opfer sind, so fassen sie Mut und erstatten Anzeige.“Überdies würden sich dadurch leichter Augenzeu- gen finden. Die 25-Jährige hat die Erfahrung gemacht, dass „unsere Politiker, Polizei und Justiz der Bevölkerun­g immer noch vermitteln, dass wir selbst auf uns aufpassen müssen.“Sie bezieht sich dabei auf Aussagen des Wiener Polizeiprä­sidenten Gerhard Pürstl, wonach Frauen nachts nur in Begleitung unterwegs sein sollten.

Am Montag wurde übrigens eine weitere Anzeige zu einem Übergriff bekannt: Eine 16-Jährige soll zu Silvester in Schärding, OÖ, von einem Mann „arabischer Herkunft“begrapscht worden sein. Die junge Frau gab an, sie sei erst jetzt – aufgrund der Berichte über ähnliche Fälle – zur Polizei gegangen.

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