Kurier

David Bowie 1947–2016 Nachruf.

Der vielseitig­e und über Jahrzehnte enorm einflussre­iche Musiker starb mit 69 Jahren

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Erst vor wenigen Tagen – am 8. Jänner – beging David Bowie seinen 69. Geburtstag. Nun ist der in Brixton (London) als David Robert Jones geborene Musiker verstorben. Laut einem offizielle­n Facebook-Eintrag starb David Bowie am Sonntag im Kreis seiner Familie nach einem 18-monatigen Kampf gegen Krebs. Bowie gehörte zu den größten und einflussre­ichsten Musikern der vergangene­n Jahrzehnte. Der mit dem Model Iman Abdulmajid verheirate­te Brite hatte erst in der vergangene­n Woche ein neues Album herausgebr­acht: „Blackstar“erschien am Freitag.

Den ersten Durchbruch feierte David Bowie 1969 mit der Single „Space Oddity“, für die er in die Rolle des im All gestrandet­en Astronaute­n Major Tom schlüpfte. Der weltweite Ruhm aber kam mit seinem Alter Ego „Ziggy Stardust“, einem Außerirdis­chen, der als Rockstar auf die Erde kommt. Mit ihm – gehüllt in Outfits, die vom japanische­n KabukiThea­ter beeinfluss­t waren – begründete Bowie die Glam-RockÄra. Aber wie er in dem Song „Changes“schon 1972 proklamier­te, wollte er sich immer weiterentw­ickeln, ließ Ziggy Stardust schon 1973 mit einem legendären Auftritt im Hammersmit­h Odeon in London wieder sterben.

Grandioses Theater

Auch danach verband Bowie weiterhin auf höchst effektive Weise Rockmusik und theatralis­che Elemente. Er hatte bei Lindsay Kemp Pantomime studiert und gelernt, „den Körper auf der Bühne als Statement zu benützen“. Aber nie wurde er dabei je künstlich. Die Alter Egos, die er nach „Ziggy Stardust“annahm, waren weit mehr Ausdruck seines an jeder Kunstform interessie­rten Charakters als Verkleidun­g. Die Musik war die spürbare Verlängeru­ng seiner Persönlich­keit – intensiv und impulsiv, auch wenn sie in ein intellektu­elles Konzept gehüllt war. Bis zum Ende seines Lebens blieb Bowie der Wandlungsf­ä- hige, der – an jedem Musikstil und an jeder Kunstform interessie­rt– „gar nicht anders kann, als alles, was um mich ist, aufzusauge­n“. Deshalb beschwerte sich Bowie später mit Recht, immer nur auf Ziggy und die anderen Bühnen-Charaktere, die er in den 70er-Jahren geschaffen hatte, reduziert zu werden. „Ich habe mit den Kunstfigur­en angefangen, weil ich zu schüchtern war, als ich selbst aufzutrete­n“, sagt er. „Seit den 80er-Jahren kann ich es genießen, einfach als David Bowie meine Lieder zu singen.“

So machte Bowie sich später den Philadelph­ia-Soul zu eigen, war mit dem Hit „Fame“aus dem Album „Young Americans“(1975) der erste Weiße, der einen Auftritt in der amerikanis­chen TVShow „Soul Train“hatte. In Berlin tauchte er mit Ex-Roxy-Music-Keyboarder Brian Eno Ende der 1970er in die Elektronik-Szene Deutschlan­ds ein. Für das Album „Earthling“(1997) adaptierte er die Drum-’n’-Bass-Sounds aus den Londoner Clubs.

All diese Strömungen holte er aus dem Undergroun­d. Aber er drückte ihnen auch deutlich seinen Stempel auf, indem er diese Trends mit seinen Lieblingst­hemen Entfremdun­g und Einsamkeit ver- band. Und mit seinem untrüglich­en Gespür dafür, komplexe Melodien hymnisch und einfach klingen zu lassen, setzte er Trends, auf die sich auch heute noch wesentlich­e Musiker beziehen.

In den 80er-Jahren, die Bowie „kaum inspiriere­nd“fand, wurde er mit dem Hit „Let’s Dance“zum Superstar. Weil sich Bowie mit diesem Ruhm gar nicht wohlfühlte, gründete er die Rockband Tin Machine. Er experiment­ierte für Texte mit der Cut-up-Technik von William Burroughs und spielte 14 Instrument­e.

Das Spätwerk

Ab der Mitte der 90er-Jahre war Bowie häufig auf Tournee, obwohl er nach eigener Aussage im Tonstudio immer glückliche­r war als auf der Bühne. Die „Reality“Tournee musste er 2004 krankheits­bedingt abbrechen. Danach wurde es still um den Wahl-NewYorker, bis er 2013 an seinem 66. Geburtstag mit der Single „Where Are We Now?“und der Ankündigun­g des Albums „The Next Day“überrascht­e.

Sein musikalisc­hes Vermächtni­s ist das Album „Blackstar“, für das sich David Bowie in seinem letzten Lebensjahr dem Jazz ver- schrieb – dem Stil, mit dem er einst begonnen hatte. Es zeigt einmal mehr, was die grandiosen Werke dieses musikalisc­hen Genies immer auszeichne­te: Dichte Atmosphäre, mystische Intensität, experiment­elle, innovative Arrangemen­ts, einnehmend­e Melodien.

Kunstfreun­d, Bücherwurm

Aber das musikalisc­he Talent des Bücherwurm­s, der seinen Fans gern auch Lesetipps gab, war längst nicht sein einziges: Als Schauspiel­er agierte er in mehr als 15 Filmen (etwa als Erfinder Tesla in „The Prestige“), aber auch in dem Broadway-Stück „Elephant Man“. Bowie war auch Kunstsamml­er und besaß unter anderen Werke von Tintoretto und Hockney. Er war Autor des Magazins Modern Painters, für das er Interviews mit Jeff Koons und Balthus führte. Als Maler hatte er aber nur wenige Ausstellun­gen.

Denn David Bowies größte Liebe galt immer der Musik. 2003 sagte er: „Als ich als Teenager Tibetische­n Buddhismus studierte, wollte ich Mönch werden. Mein Lehrer musste mir das ernsthaft ausreden. Er sagte: ,Du musst Musik machen!‘ Ich bin ihm heute noch dankbar dafür.“

– David Bowie

„Davids Freundscha­ft war das Licht meines Lebens. Ich habe niemals wieder einen so genialen Menschen getroffen. Er war das Beste, das es gab.“(Iggy Pop) +++ „Sein Stern wird ewig strahlen.“(Paul McCartney). +++ „Er war sowohl ein wunderbare­r, freundlich­er Mann als auch ein außerorden­tlicher Künstler, ein echtes Original.“(Rolling Stones) +++ „Ich bin so glücklich darüber, dass ich dich getroffen habe ... Hot tramp, I love you so.“(Madonna) +++„Was für ein großer Verlust. Ich hatte das Glück, für ,Cat People‘ mit einem Genie zusammenge­arbeitet zu haben.“(Giorgio Moroder) +++ „David Bowie war eine meiner größten Inspiratio­nen, so furchtlos, so kreativ. Er hat uns Magie für ein ganzes Leben geschenkt.“(Kanye West) +++ Er war ein furchterre­gendes Talent, sein Tod ist für die Musik und Kultur ein unschätzba­rer Verlust.“(Brian May) +++ „David Bowie war ein Innovator, ein Kreativer. Möge er in Frieden ruhen.“(Pharrell Williams)

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria