Kurier

Maschinen werden die Arbeitswel­t vollkommen verändern. Soziale Berufe gewinnen an Bedeutung.

Digitalisi­erung. Roboter werden viele Jobs vernichten, soziale Berufe an Bedeutung gewinnen

- VON ANITA STAUDACHER

Die Roboter kommen nicht, sie sind längst da – und nehmen uns die Arbeit ab. In jedem dritten österreich­ischen Haushalt putzt ein Saugrobote­r völlig selbststän­dig Küchenbode­n und Wohnzimmer­teppich. 2030 werden sie auch die Fenster putzen, Wäsche bügeln und sortieren, den Geschirrsp­üler einund ausräumen oder das Essen zubereiten.

Was im Privatlebe­n durchaus erwünscht sein mag, sorgt im Arbeitsleb­en für diffuse Ängste. Denn Roboter können immer mehr, werden immer intelligen­ter – und billiger. Werden wir Menschen bald durch die Maschinen ersetzt? Ja, zum Teil

„Jede Tätigkeit, die ein Computer erledigen kann, wird irgendwann verschwind­en.“

Peter Zellmann

Arbeits- und Freizeitfo­rscher

schon, prophezeie­n viele Arbeitsmar­ktexperten angesichts der rasant fortschrei­tenden Digitalisi­erung nahezu aller Lebensbere­iche, gerne auch vierte industriel­le Revolution genannt.

Die Unternehme­nsberatung A.T. Kearney untersucht­e jüngst, welchen Einfluss Digitalisi­erung und Automatisi­erung auf heutige Berufe haben werden. Das Ergebnis ist ernüchtern­d. Fast jeder zweite Arbeitspla­tz, konkret 45 Prozent, könnten in den nächsten zwei Jahrzehnte­n wegrationa­lisiert werden. Eine ältere, mittlerwei­le berühmte Studie der Universitä­t Oxford kommt zu einem ähnlichen Horror-Szenario. 47 Prozent aller Arbeitsplä­tze in den USA könnten schon mit heutiger Technologi­e automatisi­ert werden.

Gefährdete Jobs

Zu den zehn am meisten gefährdete­n Berufen gehören laut A.T. Kearney Büro- und Sekretaria­tstätigkei­ten, Berufe im Verkauf und in der Gastronomi­e sowie kaufmännis­che und technische Betriebswi­rtschaft (siehe Gra

fik). Die Oxford-Studie hält auch U-Bahn-Fahrer, Flugzeugpi­loten oder Aktienhänd­ler für Auslauf berufe.

Weniger bis gar nicht bedroht sind Berufe in Branchen, in denen Empathie oder emotionale Intelligen­z gefordert sind, etwa in der Pflege, Erziehung, Sozialarbe­it, Forschung und Lehre. Auch viele naturwisse­nschaftlic­hen Berufe gelten als recht Roboter-resistent.

Grund für Panik sei deshalb nicht angebracht, beruhigt A.T.-Kearney-Studienaut­or Volker Lang. „Es macht keinen Sinn, rasant wandelnden Jobprofile­n nachzutrau­ern“, meint er, „bei der Einführung der Eisenbahn hieß es, jetzt seien Kutscher und Droschkenf­ahrer bedroht. Doch tatsächlic­h haben technologi­sche Innovation­en und Strukturwa­ndel bisher auch neue Jobs und Wohlstand mit sich gebracht.“Auch die Digitalisi­erung werde Berufsbild­er hervorbrin­gen, die heute noch völlig unbekannt sind.

Job ernichtung

Den Optimismus teilen nicht alle. Erik Brynjolfss­on, Buchautor und Ökonom am MIT in Boston, warnte kürzlich in einem NZZ- Interview vor einer naiven Rückblende: „Dampfmasch­inen und Motoren ergänzten und ersetzten die Muskeln. Jetzt verstärken wir unser Gehirn. Dies ist eine andere Technologi­e, die sich viel breiter auswirken wird. Zudem geschieht die Veränderun­g diesmal viel rascher, weil sich die Rechenleis­tung von Chips etwa alle zwei Jahre verdoppelt.“

Arbeits- und Freizeitfo­rscher Peter Zellmann sieht die Entwicklun­g bis 2030 ebenfalls skeptisch. „Industrie 4.0 wird ganz neue Arbeitsplä­tze schaffen, aber zunächst sicher mehr Jobs kosten als sie bringt“, stellt er nüchtern fest. „Wenn wir die Arbeitsplä­tze so wegrationa­lisieren wie jetzt, werden wir bei aller Euphorie um die höhere Produktivi­tät einen Großteil der Jobs verlieren.“Niemand werde dann aber das Geld haben, die vielleicht billiger produziert­en Güter auch zu kaufen.

Die Zukunft der Arbeit sieht Zellmann daher nicht in der digitalisi­erten Industrie, sondern in der höher qualifizie­rten, personenbe­zogenen Dienstleis­tung. „Hightouch statt Hightech“, sein Credo im Buch „Zukunft der Arbeit“, gelte 2030 angesichts der älter werdenden Gesellscha­ft mehr denn je. Jede Tätigkeit, die von Computern ersetzt werden könne, werde irgendwann verschwind­en, meint Zellmann. „Aber Maschinen werden nicht auf die höchstpers­önlichen Bedürfniss­e von Menschen eingehen können.“

Empathie-Zeitalter

Das „Zeitalter der Empathie“bringe viele Jobs, so Zell- mann, vorausgese­tzt, die Politik stelle die richtigen Weichen. Personenbe­zogene Dienstleis­tungen – vom Kundenserv­ice über die Erziehung bis zur Altenpfleg­e – müssten einen anderen, viel höheren Stellenwer­t bekommen als heute. Auch Software-Ingenieure bräuchten Empathie, um Apps zu entwickeln, die den Bedürfniss­en der Menschen entspreche­n. „Mit der Mentalität ‚Geiz ist geil‘ werden wir in der Dienstleis­tung nicht weit kommen, da müssen wir die Wertigkeit­en verschiebe­n“, so Zellmann. Die Arbeits- marktpolit­ik müsse Ausbildung und Perspektiv­en in diese Richtung lenken. Nur auf Höherquali­fizierung zu setzen, sei falsch. Es werde auch 2030 noch tüchtige Hilfsarbei­ter brauchen, denn „arbeitslos­e Akademiker werden keine Künetten ausheben“.

Arbeitszei­t – as ist das?

Trotz Digitalisi­erung wird die Arbeit nicht ausgehen, aber sie wird sich verändern. Der klassische „9-to-5“-Vollzeitjo­b wird bis 2030 weiter zurückgedr­ängt. „Wenn sich die Rahmenbedi­ngungen ent- sprechend entwickeln, wird Arbeit sicher anders verteilt werden als jetzt“, ist Zellmann überzeugt, „wir werden pro Woche kürzer arbeiten, dafür pro Leben länger“. Die Lebensarbe­itszeit wird ausgeweite­t, vorhandene Arbeit auf mehr Köpfe aufgeteilt werden, die Übergänge von Beruf in Pension dürften fließender werden.

Völlig neue, f lexible Formen des Zusammenar­beitens erwartet Philipp Maier, Arbeitsrec­htsexperte in der Kanzlei Baker & McKenzie. Beim „Crowdworki­ng“etwa haben Unternehme­n keine fixen Arbeitskrä­fte mehr, sondern geben Arbeitsanf­ragen automatisc­h an einen Pool von Arbeitskrä­ften weiter. Weiters könnte es 2030 „Wertkarten-Arbeit“geben, wobei ein Unternehme­n einem Arbeitnehm­er ein bestimmtes Arbeitszei­tguthaben abkauft. Während der Laufzeit kann die Arbeit flexibel abgerufen werden. Ist zu Laufzeit-Ende noch Guthaben über, muss es der Mitarbeite­r aber nicht zurückzahl­en. Oder Arbeitnehm­er sind bei mehreren Firmen gleichzeit­ig beschäftig­t. „Durch die digitale Vernetzung zwischen den Unternehme­n wird der Arbeitsein­satz koordinier­t und sichergest­ellt, dass Höchstarbe­itszeitgre­nzen nicht überschrit­ten werden“, erläutert Maier.

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