Innenministerin Mikl-Leitner: „Schengen ist gerade dabei zu kippen“
Scharfe Drohung. Für Österreichs Ressortchefin geht das freie Reisen im Schengen-Raum zu Ende. Beim Treffen der EU-Innenminister gab es extremen Druck auf Griechenland, die EU-Außengrenze zu schützen.
„Ich spreche das aus, was sich andere denken“, erklärt Johanna Mikl-Leitner nach Ende des informellen Treffens der EU-Innenminister in Amsterdam. Um dann ganz dramatisch das Wesentliche ihrer Gedanken zu sagen: „Schengen ist gerade dabei zu kippen.“Immer mehr Länder würden nationale Grenzkontrollen einführen und dem österreichischen Beispiel mit Obergrenzen und einschneidenden Asylregeln folgen, fügte sie hinzu.
Nicht alle EU-Spitzenpolitiker sehen Schengen am Ende, ganz im Gegenteil. Die Benelux-Staaten, Deutschland und vor allem die EUKommission wollen das System mit dem freien Reisen im Schengen-Raum unter allen Umständen retten – auch aus wirtschaftlichen Gründen.
Auf die KURIER-Frage, ob es für die Athener Regierung ein Ultimatum gebe, bis zu welchem Zeitpunkt Griechenland die Außengrenze besser schützt, andernfalls die Griechen Grenzkontrollen in Kauf nehmen müssen, antwortete Mikl-Leitner kryptisch: „Die Uhr läuft.“
Griechenlands Migrationsminister Ioannis Mouzalas wehrte sich gegen An- schuldigungen, Griechenland würde zu wenig für den Grenzschutz und die Unterbringung von Flüchtlingen tun. In einer hastig einberufenen Pressekonferenz wollte er auf klären, was „Wahrheit und Lügen im griechischen Flüchtlingsdrama sind“. Kurzum: Griechenland sei säumig beim Auf bau der Hotspots, das gab der Minister zu, aber beim Außengrenzschutz würden Lügen von den EU-Partnern verbreitet. „Wir sind nicht der Sündenbock der EU. Griechenland erfüllt alle Schengen-Kriterien.“Die Küstenwache mache alles, und die Hilfe, die Griechenland von Frontex und den EU-Partnern angefordert habe, wurde nicht oder unzureichend geliefert, beschwerte sich Mouzalas.
Sho do n
Als die Litanei von Beschwerden bekannt wurde, erklärten Diplomaten genüsslich: „Jetzt beginnt der Showdown und es kann Klartext mit den Griechen geredet werden. Endlich sind wir so weit.“Manche verlangten eine „Sicherheitstroika für Hellas“, so wie die Troika bei der Lösung der Schuldenkrise eingesetzt wurde und immer noch wird, aber offiziell nicht mehr so heißt.
Innenminister Thomas de Maizière betonte, dass Deutschland „Einfluss ausüben wird, damit Griechenland seine Hausaufgaben macht“. Die nächsten Wochen würden zeigen, welche Ergebnisse erzielt würden. Sein belgischer Amstkollege von der flämischen Separatisten-Partei N-VA, Jan Jambon, will „die Position Griechenlands im Schengen-Raum unter die Lupe nehmen.“
Die EU-Kommission kor- rigierte Mikl-Leitner, indem sie richtig stellte, dass ein Schengen-Ausschluss gemäß EU-Vertrag nicht möglich sei. Die Einführung der Grenzkontrollen für Griechenland sei bei „außergewöhnlichen Umständen“aber möglich.
De Maizière versuchte am Ende des informellen Treffens zu beruhigen, sowohl was Griechenland als Schengen angeht: „Falls Schengenkollabiert, sind alle Schengen-Staaten betroffen – politisch wie wirtschaftlich.“
In einem waren sich viele in Amsterdam einig: Auch 2016 dürften sich Hunderttausende Migranten Richtung Europa aufmachen. Und überall wird die Flüchtlingsfrage zur Wahlkampfwaffe.