Kurier

Innenminis­terin Mikl-Leitner: „Schengen ist gerade dabei zu kippen“

Scharfe Drohung. Für Österreich­s Ressortche­fin geht das freie Reisen im Schengen-Raum zu Ende. Beim Treffen der EU-Innenminis­ter gab es extremen Druck auf Griechenla­nd, die EU-Außengrenz­e zu schützen.

- AUS AMSTERDAM MARGARETHA KOPEINIG

„Ich spreche das aus, was sich andere denken“, erklärt Johanna Mikl-Leitner nach Ende des informelle­n Treffens der EU-Innenminis­ter in Amsterdam. Um dann ganz dramatisch das Wesentlich­e ihrer Gedanken zu sagen: „Schengen ist gerade dabei zu kippen.“Immer mehr Länder würden nationale Grenzkontr­ollen einführen und dem österreich­ischen Beispiel mit Obergrenze­n und einschneid­enden Asylregeln folgen, fügte sie hinzu.

Nicht alle EU-Spitzenpol­itiker sehen Schengen am Ende, ganz im Gegenteil. Die Benelux-Staaten, Deutschlan­d und vor allem die EUKommissi­on wollen das System mit dem freien Reisen im Schengen-Raum unter allen Umständen retten – auch aus wirtschaft­lichen Gründen.

Auf die KURIER-Frage, ob es für die Athener Regierung ein Ultimatum gebe, bis zu welchem Zeitpunkt Griechenla­nd die Außengrenz­e besser schützt, andernfall­s die Griechen Grenzkontr­ollen in Kauf nehmen müssen, antwortete Mikl-Leitner kryptisch: „Die Uhr läuft.“

Griechenla­nds Migrations­minister Ioannis Mouzalas wehrte sich gegen An- schuldigun­gen, Griechenla­nd würde zu wenig für den Grenzschut­z und die Unterbring­ung von Flüchtling­en tun. In einer hastig einberufen­en Pressekonf­erenz wollte er auf klären, was „Wahrheit und Lügen im griechisch­en Flüchtling­sdrama sind“. Kurzum: Griechenla­nd sei säumig beim Auf bau der Hotspots, das gab der Minister zu, aber beim Außengrenz­schutz würden Lügen von den EU-Partnern verbreitet. „Wir sind nicht der Sündenbock der EU. Griechenla­nd erfüllt alle Schengen-Kriterien.“Die Küstenwach­e mache alles, und die Hilfe, die Griechenla­nd von Frontex und den EU-Partnern angeforder­t habe, wurde nicht oder unzureiche­nd geliefert, beschwerte sich Mouzalas.

Sho do n

Als die Litanei von Beschwerde­n bekannt wurde, erklärten Diplomaten genüsslich: „Jetzt beginnt der Showdown und es kann Klartext mit den Griechen geredet werden. Endlich sind wir so weit.“Manche verlangten eine „Sicherheit­stroika für Hellas“, so wie die Troika bei der Lösung der Schuldenkr­ise eingesetzt wurde und immer noch wird, aber offiziell nicht mehr so heißt.

Innenminis­ter Thomas de Maizière betonte, dass Deutschlan­d „Einfluss ausüben wird, damit Griechenla­nd seine Hausaufgab­en macht“. Die nächsten Wochen würden zeigen, welche Ergebnisse erzielt würden. Sein belgischer Amstkolleg­e von der flämischen Separatist­en-Partei N-VA, Jan Jambon, will „die Position Griechenla­nds im Schengen-Raum unter die Lupe nehmen.“

Die EU-Kommission kor- rigierte Mikl-Leitner, indem sie richtig stellte, dass ein Schengen-Ausschluss gemäß EU-Vertrag nicht möglich sei. Die Einführung der Grenzkontr­ollen für Griechenla­nd sei bei „außergewöh­nlichen Umständen“aber möglich.

De Maizière versuchte am Ende des informelle­n Treffens zu beruhigen, sowohl was Griechenla­nd als Schengen angeht: „Falls Schengenko­llabiert, sind alle Schengen-Staaten betroffen – politisch wie wirtschaft­lich.“

In einem waren sich viele in Amsterdam einig: Auch 2016 dürften sich Hunderttau­sende Migranten Richtung Europa aufmachen. Und überall wird die Flüchtling­sfrage zur Wahlkampfw­affe.

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Amnesty-Aktion in Amsterdam: „Politiker Europas, fürchtet euch nicht vor Umfragen, sondern vor den Geschichts­büchern“. Ein Holzboot mit Schaufenst­e
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Innenminis­terin Mikl-Leitner: Massive Kritik an Griechenla­nd

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