Kriegsverbrechen in Bosnien: Radovan Karadžić ist schuldig
40 Jahre Haft. Zeitgleich mit dem Urteilsspruch übernahm der österreichische Generalmajor Friedrich Schrötter das Kommando über die EU-Truppen.
Mindestens 8372 Buben und Männer sind in der ostbosnischen Gemeinde Srebrenica im Juli 1995 getötet und in Massengräbern verscharrt worden. 14 Angeklagte sind bisher für den Genozid verantwortlich gemacht worden. Gestern folgte die Verurteilung des höchstrangigen Verantwortlichen. Unter Karadžićs Oberbefehl stürmten serbische Truppen 1995 die unter Kontrolle niederländischer UNO-Soldaten stehende Schutzzone.
Radovan Karadžić, der ehemalige Präsident der Republika Srpska wurde am Donnerstag vom Kriegsverbrechertribunal (ICTY) in Den Haag zu 40 Jahren Haft verurteilt. In zehn von elf Punkten wurde der 70Jährige gestern schuldig gesprochen. Darunter Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, lediglich vom Vorwurf des Völkermordes in den ostbosnischen Gemeinden Ključ, Sanski Most, Prijedor, Vlasenica, Foča, Zvornik und Bratunac wurde er freigesprochen. Weit mehr als die 8372 Toten von Srebrenica hat der bosnische Serbe zu verantworten. Er aber will gegen das Urteil Berufung einlegen.
Emotionaler Tag
Karadžić war im Jahr 1996 untergetaucht, er wurde erst nach mehr als 12 Jahren Flucht festgenommen. Sechs Jahre mit insgesamt 500 Sitzungstagen später wurde er schuldig gesprochen. Ein emotionaler Tag für die Menschen in der Region. „Heute kann ich vielleicht zum ersten Mal richtig schlafen“, sagte die Mutter eines Srebrenica-Opfers. Viele Angehörige hatten sich getroffen, um gemeinsam den Urteilsspruch live im TV anzusehen. Andere demonstrieten in Den Haag oder in Sarajewo.
Karadžić hatte noch kurz vor Urteilsverkündung versucht, die Vowrürfe zu entkräften. So seien in Srebrenica nur einige hundert Personen erschossen worden, sagte er dem Internetportal am Mittwoch. „Keine Übertreibung kann uns helfen, Verständnis und Frieden unter uns zu errichten“, sagte er etwa. Viele Serben scheinen seiner Meinung zu sein. In Belgrad wird der Kriegsverbrecher von manchen bis heute als Held gefeiert. Der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, hat kurz vor dem Urteil ein Studentenheim vor den Toren Sarajewos, das jahrelang auf Karadžićs Befehl belagert worden war, nach dem Kriegsverbrecher benannt – und neben Kritik auch Lob dafür bekommen.
Die Kommandoübergabe der 800 EU-Soldaten aus 22 Ländern erfolgte just zu jenem Zeitpunkt, als die ganze Welt ihre Augen auf Den Haag richtete. Bei der Übergabe an Generalmajor Schrött waren sogar EU-Späher im Einsatz. Deutlicher hätte man nicht vorführen können, in welchem Pulverfass er die militärische Verantwortung übernommen hat. Denn mit dem Kommando über die EU-Truppen hat er auch die Verantwortung über die Sicherheit im Lande. Er unterstützt die bosnische Armee beim Auf bau. Und wenn es zu inneren Auseinandersetzungen kommt, muss er mit seinen Soldaten einschreiten. In einem Land, im dem noch immer eine ständige Angst vor einem neuerlichen Bürgerkrieg herrscht. Das Bundesheer stellt das stärkste Kontingent und hat das Oberkommando. Dieses Engagement leistet man sich nach den Worten von Verteidigungsminister Doskozil, weil eine Eskalation in Bosnien unmittelbare Auswirkung auf Österreich hätte.