Kurier

„Wien kann viel von uns lernen“

Interview. Niederöste­rreichs Spitalslan­desrat Karl Wilfing wehrt sich gegen Kritik aus dem AKH Tuberkulos­e im Parlament: Bereits 40 negative Befunde

- VON (siehe Grafik).

KURIER: Herr Landesrat, Peter Husslein, der Leiter der Frauenheil­kunde am AKH Wien, hat jüngst gemeint, in Österreich und speziell rund um Wien gebe es zu viele Spitäler. Was antworten Sie ihm? Wilfing: Der Standort bestimmt den Standpunkt. Wenn ich im AKH Wien tätig bin, betrachte ich natürlich Wien als das Maß aller Dinge. Aber als Flächenbun­desland haben wir eben einen anderen Auftrag in der Gesundheit­sversorgun­g. Wir müssen die Erreichbar­keit in der Fläche garantiere­n. 95 Prozent der Niederöste­rreicher sollen innerhalb von maximal 30 Minuten ihr nächstes Spital erreichen – das ist unsere Vorgabe. Und daher halten wir unsere Spitalssta­ndorte. Husslein hat kleinere Spitäler wörtlich als „gesundheit­sgefährden­d“bezeichnet. Die Wahrschein­lichkeit für Fehldiagno­sen und Komplikati­onen sei größer, weil die Expertise fehlt.

Was Letzteres betrifft, hat er recht. Um Spitzenmed­izin gewährleis­ten zu können, braucht man entspreche­nde Fallzahlen. Daher setzen wir stark auf Spezialisi­erung. Medizinisc­he Grundverso­rgung gibt es in jedem Haus. Aber wir bieten nicht überall alle medizinisc­hen Fächer an. Das wäre wirtschaft­lich nicht zu rechtferti­gen. Wir könnten die Qualität nicht halten. Wir haben auch auf die medizinisc­he Weiterentw­icklung reagiert. Weil wir wissen, dass der durchschni­ttliche Aufenthalt in Spitälern kürzer wird: Daher haben wir rund 150 Betten umgewandel­t – mehr Neurologie, mehr Diabetesbe­handlung, mehr Geriatrie und tagesklini­sche Kapazität. Es gab von Husslein auch Kritik daran, dass das Land in Baden und in Mödling je ein neues Spital baut – beide trennen nicht einmal 15 Straßenkil­ometer.

Da ist er sicher teilweise uninformie­rt. Laut Krankenans­taltengese­tz braucht jede Region über 100.000 Einwohner ein Grundverso­rgungshaus. In den Bezirken Baden und Mödling haben wir insgesamt 350.000 Einwohner. Es sind die beiden am stärksten wachsenden Bezirke. Wir wissen, dass zwei Häuser in der Errichtung teurer sind, aber im Betrieb weit günstiger kommen als ein großes Haus. Die wirtschaft­lichste Größe eines Krankenhau­ses liegt bei etwa 400 Betten, sagen internatio­nale Studien. Die Kliniken in Baden und Mödling werden aber als ein Haus geführt. Das heißt Schwerpunk­tbildung: Zum Beispiel ist die Unfallchir­urgie in Baden, die Gynäkologi­e in Mödling angesiedel­t. Dazu sei aber auch gesagt, dass unsere Schwerpunk­tsetzungen nicht in allen Häusern mit Freude gesehen wird. Die Verhandlun­gen zum Finanzausg­leich stehen bevor. Da wird das Thema Fremdpatie­nten zwischen NÖ und Wien sicher wieder zur Diskussion stehen. Welche Strategien gibt es da?

Ich bin überzeugt, dass es beim Finanzausg­leich weit schwierige­re Fragen zu lösen geben wird. Wir begrüßen jedenfalls auch in diesem Bereich Schwerpunk­tsetzung. Nehmen Sie die Infektions­krankheite­n: Der Schwerpunk­t dafür soll in Wien liegen. Das soll im Finanzausg­leich geregelt sein und die sollen dafür in ihrem Zentrum, das es bereits gibt, auch Patienten aus Niederöste­rreich und dem Burgenland betreuen. Umgekehrt bilden wir bei der Lungenheil­kunde mit der Klinik in Hochegg oder bei der Krebsbehan­dlung mit Wr. Neustadt auch Schwerpunk­te fürs Burgenland. Innerhalb der Wiener Politik wird das Thema Fremdpatie­nten aber als grundsätzl­iches Problem gesehen.

Da gibt es ja zum Glück sehr gutes statistisc­hes Material, was sich hier zwischen den Bundesländ­ern bewegt. Und darauf basierend kann man zu einer fairen Lösung kommen. Patienten fahren aber nicht nur aus NÖ nach Wien. Nehmen Sie das Beispiel Klosterneu­burg: 50 Prozent der Geburten dort sind Wiener. Und wenn wir schon über NÖ und Wien reden, möchte ich Peter Husslein schon eines mitgeben: In der Frage der Effizienz brauchen wir keinen Vergleich zu scheuen. Wir bauen in Baden und Mödling um 346,6 Millionen Euro zwei Häuser – und wir halten diese Summe und den Fertigstel­lungstermi­n punktgenau ein. Da kann Wien viel von uns lernen – wenn man sich das Beispiel Wien Nord anschaut. Das von Karl Wilfing zitierte statistisc­he Material liegt dem KURIER vor: Im Jahr 2014 wurden rund 99.000 Niederöste­rreicher in Wiener Spitälern behandelt, 15.000 Wiener in NÖ In NÖ argumentie­rt man, dass das AKH als größtes Wiener Spital einen Versorgung­sauftrag für die gesamte Ostregion hat. Daher werde es auch vom Bund mitfinanzi­ert und die Stadt erhalte zur Versorgung von Patienten aus Niederöste­rreich und dem Burgenland auch mehr Geld aus dem Finanzausg­leich. Aber generell mache es wenig Sinn, in der Gesundheit­sversorgun­g – gerade in Ballungsre­gionen – in Ländergren­zen zu denken. Untersuchu­ngen. Nach dem Tuberkulos­e-Fall im Parlament waren gut informiert­en Kreisen zufolge bereits rund 40 Personen zur Untersuchu­ng im Spital. Darunter sollen sich Abgeordnet­e befunden haben. Bei allen waren die Befunde negativ. Offiziell bestätigen wollen dies weder die Parlaments­direktion noch die Wiener Gesundheit­sbehörde MA15.

Wie der KURIER berichtete, sorgte ein an offener TBC erkrankter Mitarbeite­r des Parlaments Mitte März für Aufregung. Er hatte sich im Rahmen einer Sondersitz­ung des Nationalra­tes im Plenarsaal aufgehalte­n – inmitten der 183 Mandatare. Der Mann begab sich danach in stationäre Behandlung.

Verdacht

Von der FPÖ heißt es, dass auch bei einem weiteren Hausangest­ellten der Verdacht bestand, er hätte sich mit TBC infiziert. Die Befürchtun­g dürfte sich im Zuge der Untersuchu­ngen aber nicht bestätigt haben.

Bei der MA15 will man sich zu der Causa nicht äußern. Dort heißt es auf KURIER-Anfrage: „Zurzeit findet die Umgebungsu­ntersuchun­g bei unmittelba­ren Kontaktper­sonen statt, bei denen durch die Kontaktzei­t und Nähe zum Betroffene­n möglicherw­eise ein Ansteckung­srisiko gegeben war.“FP-Gesundheit­ssprecheri­n Dagmar Belakowits­ch-Jenewein hatte von Beginn an den fehlenden Informatio­nsfluss kritisiert. So habe ihre Fraktion von Hausarbeit­ern vom TBC-Verdacht erfahren.

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