Fleischersatz
Bis 2050 wächst die Zahl der Menschen voraussichtlich auf insgesamt neun Milliarden. Mit Insekten könnte man Ernährungsengpässe vermeiden helfen.
Um die Welt künftig ernähren zu können, setzen Experten auf Insekten.
Vom Insekten-Burger in der Supermarktvitrine bis hin zum Kuchen aus Heimchenmehl vom Szene-Koch: Die eher ungustiösen Krabbler sind nicht nur im Dschungelcamp in aller Munde, sondern auch bei den Ernährungsexperten der Vereinten Nationen. Bis zum Jahr 2050 soll die Zahl der Menschen von derzeit knapp acht auf neun Milliarden Menschen steigen. Gleichzeitig gibt es immer weniger Ackerflächen. Die Lebensmittelerzeugung muss effizienter werden.
Insekten kommen als Fleischersatz ins Spiel. Sie enthalten Proteine und Fett und können vergleichsweise ressourcenschonend gezüchtet werden. „Es gibt rund 2000 essbare Arten“, sagt Henry Jäger, Professor an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er beschäftigt sich mit Larven von Mehlwürmern und Soldatenfliegen sowie mit Heuschrecken und Grillen. „Es geht um die Extraktion von Fetten und Eiweiß, die für die menschliche Ernährung interessant sind. Chitin ist mehr ein Thema für die Verpackungsin- dustrie“, sagt er. In unseren Breiten werden Insekten seiner Einschätzung nach in verarbeiteter Form ein Thema. Sprich: Pulverisiert, sodass der Konsument nicht mehr erkennt, was er isst.
Kein Wildfang
Die gesetzliche Grundlage dafür muss in Europa aber erst geschaffen werden. Derzeit dürfen nur ganze Insekten vertrieben werden – meist in getrockneter Form. Sie müssen aus Zuchtbetrieben kommen, Käfer oder Larven aus Wildfang sind tabu. Genauso wie verarbeitete Insekten. Jäger: „Spannend wird das Jahr 2018 und die Rahmenbedingungen der Novel Food Verordnung.“
Unter Novel Food versteht man Lebensmittel, die vor dem Stichtag 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in der EU für den menschlichen Verzehr verwendet worden sind, also auch Insekten. Sie brauchen erst eine Zulassung. „Bis 2018 müssen alle nachweisen, dass es keine Probleme mit den Produkten gibt“, erklärt Jäger. Also auch jene, die bisher schon ganze Heuschrecken gezüchtet und verkauft haben. Ob Insekten als Futtermittel für Tiere oder zum menschlichen Verzehr den ökologischen Fußabdruck verkleinern können? Eine Frage ist laut Jäger, ob in der Zucht hochwertiges Substrat wie Soja-Protein eingesetzt wird oder Abfall, etwa Trester von der Saftherstellung. Jäger: „Letzteres wäre sinnvoll, aber da stellt sich dann die Frage der Lebensmittelsicherheit.“Offen ist auch, ob Europa sich klimatisch zur Zucht eignet oder ob diese eher in tropischen Ländern stattfinden sollte. Muss die Zuchtstätte erst aufgeheizt werden, ist es mit dem vorbildlichen ökologischen Fußabdruck schon wieder vorbei. Auch Details der industriellen Verarbeitung sind noch zu klären. Etwa, wo die Tiere getötet werden und wie. In Schlachthöfen sind Insekten aus hygienischen Gründen verboten. Tötung durch Gefrieren gilt als die natürlichste Variante, da viele auch in der Natur erfrieren.