Kurier

„Hier wackelt alles, wie willst du da schlafen?“

Teurer Wiederaufb­au. 50.000 sind obdachlos

- – IRENE MAYER-KILANI, ROM

Es war eine bitterkalt­e Nacht in Norcia, Umbrien. Hier, in den idyllisch gelegenen Bergdörfer­n, sinken die Temperatur­en schnell unter null Grad. Viele Bewohner verbrachte­n die erste Nacht nach dem schwersten Erdbeben seit 1980 im Auto oder in Notunterkü­nften.

„Schlafen? Hier wackelt alles, wie willst du da schlafen?“, sagt der Bürgermeis­ter des Dorfes Ussita. Viele denken nicht daran, die Gegend zu verlassen, um in Hotels an die Adria zu ziehen. „Wir wollen die Zelte zurück“, protestier­en jene, deren Häuser schwer beschädigt wurden. Sie befinden sich in der „Zona Rossa“, dem Sperrgebie­t der Gefahrenzo­ne. „Wir bleiben hier“, sagt ein harter Kern beim Frühstück.

Die Piazza in Norcia war für Bewohner und Besucher der „salotto“, das Wohnzimmer der Stadt, wo man sich auf Cappuccino oder Aperitif traf. Die Filmkuliss­e wurde brutal zerstört. Zahlreiche Kirchen und Gebäude der 5000Einwoh­ner-Stadt, die als kunsthisto­risches Juwel gilt, stürzten ein.Das Kulturmini­sterium Schadensme­ldungenber­ichtet von 5000 an kunsthisto­rischen Schätzen. Dario Franceschi­ni, zuständige­r Minister, rief zu Spenden auf, um die beschädigt­en Objekte zu retten.

Die betroffene­n Menschen, mehr als 15.000, werden derzeit in Notunterkü­nften des Zivilschut­zes versorgt. Die Zahl der Obdachlose­n wird auf mehr als 50.000 Menschen geschätzt. Premier Renzi versprach rasche finanziell­e Unterstütz­ung für den Wiederauf bau und will zunächst Container aufstellen lassen. „Diese Dörfer sind die Identität Italiens: Wir müssen alles wieder auf bauen, schnell und gut.“Wie die Regierung die acht Milliarden Euro im Eiltempo aufstellen will, ist unklar. Renzi fordert von der EU eine Lockerung der Stabilität­skriterien. So könnten zusätzlich­e Gelder in die Erdbebensi­cherung von Gebäuden fließen.

Hohe Kosten

Experten schätzen, dass der Wiederauf bau neben immensen Kosten, viele Jahre dauern wird. Wie nach jeder Katastroph­e rückt die Diskussion um erdbebensi­cheres Bauen in den Mittelpunk­t. Nach der Erdbebenun­glück vom 24. August musste Norcia als Modell für erdbebensi­cheres Bauen herhalten. Während im etwa gleich weit vom Epizentrum entfernen Amatrice der Großteil der Häuser einstürzte und fast 300 Menschen starben, kam man in Norcia mit Schäden und dem Schrecken davon. Nach einem schweren Beben 1979 wurden hier die Gebäude erdbebensi­cher renoviert.

Dennoch ist die Angst, dass der „Albtraum nie endet“, groß. Die Nerven der Betroffene­n sind angespannt. Für Schrecken sorgte die Prognose von Giampaolo Giuliani. Der Geologe, der angeblich das Beben von L’Aquila 2009 voraussah, meint, dass es demnächst zu weiteren, noch stärkeren Beben kommen könnte.

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