Kurier

Viel Lärm um noch recht wenig Eurowings: Der Streit geht weiter, gestreikt wird aber vorerst nicht

Briten schwanken zwischen Häme und Bedauern – Wirtschaft­sdaten erstaunlic­h stabil

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Britische EU-Gegner zeigen dem Kontinent die lange Nase: Ausgerechn­et in den drei Monaten nach dem BrexitVotu­m ist die Wirtschaft­sleistung auf der Insel stärker gewachsen. In der EU stieg das BIP um solide 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal, im Vereinigte­n Königreich waren es sogar 0,5 Prozent. Na also, sehen sich Brexit-Befürworte­r bestätigt: Die viel beschworen­en Horrorszen­arien sind nicht eingetrete­n.

Die Häme dürfte aber verfrüht sein. Die Abstimmung für den EU-Austritt fand am 23. Juni statt. Die Daten für Juli bis September können die Auswirkung­en noch gar nicht abbilden. Das Referendum fiel zudem in eine sehr starke Wirtschaft­sphase – negative Folgen für den Arbeitsmar­kt wären somit erst in etlichen Monaten spürbar.

Briten werden ärmer

Bei den Verbrauche­rn kommen diese allmählich an: Der Teuerungss­chub trifft die Niedrigver­diener, die – Ironie des Schicksals – vielfach für den Brexit gestimmt haben. Für die Gemütslage derer, die ihr Ja zum EU-Austritt bereuen, kursiert ein neues Kürzel: „Bregret“(Bedauern).

Das Pfund hat seit Jahresbegi­nn rund 18 Prozent an Wert zum Euro und US-Dollar verloren. Wollen ausländisc­he Hersteller nicht auf den Verlusten sitzen bleiben, müssen sie ihre Preise auf der Insel anheben. Apple und Microsoft haben das schon getan, Konsumgüte­rriese Unilever machte nach einem heftigen Streit mit der Supermarkt­kette Tesco vorerst einen Rückzieher. Auf Dauer können die Händler die höheren Kosten aber nicht von ihren Kunden fernhalten. Goldman-SachsAnaly­sten erwarten sogar, dass das Pfund bald eins zu eins zum Euro gehandelt wird – was abermals ein Wertverlus­t von 10 Prozent wäre.

Wegen der Unsicherhe­it, wie der Handel mit der EU künftig aussieht, haben viele Unternehme­n ihre Investitio­nen auf der Insel gestoppt. Da war es eine willkommen­e Meldung, dass der japanische Autoherste­ller Nissan die Modelle Qashqai und X-Trail weiterhin im britischen Sunderland produziere­n wird.

Regierung „in Panik“

Der Deal könnte teuer erkauft sein. Die Regierung musste Nissan nämlich verspreche­n, dass es nach dem Brexit keine Zölle oder Markthürde­n fürchten muss. Solche Zusicherun­gen fordern nun auch andere Branchen. Auf die Steuerzahl­er rolle eine „kolossale Rechnung“zu, warnt Ex-Vize-Premier Nick Clegg. Denn entweder die Briten zahlen weiter ins EU-Budget ein, um den Marktzugan­g für diese Industriez­weige zu erkaufen. Oder sie müssten hohe Subvention­en stemmen – primär für ausländisc­he Konzerne. „Hütet euch vor Staatsgara­ntien, die in Panik abgegeben werden“, mahnt Richard Murphy von der NGO Tax Research UK. Er fühlt sich an Irland erinnert: Eine 2008 abgegebene Blankogara­ntie für die Banken trieb das Land fast in die Pleite. Flugbeglei­ter. Wer die Fenstertag­e für einen Kurzurlaub genutzt hat und mit Eurowings unterwegs ist, kann aufatmen. Trotz gescheiter­ter Schlichtun­gsverhandl­ungen wird es in dieser Woche keine neuen Streiks der Flugbeglei­ter geben. Stattdesse­n soll der bereits beim Mutterkonz­ern Lufthansa erfolgreic­he Schlichter Matthias Platzeck die Gespräche wieder in Gang bringen, hat die Kabinengew­erkschaft Ufo am Montag vorgeschla­gen. Ursprüngli­ch hatte die Gewerkscha­ft für diese Woche mit zwei weiteren Streiktage­n gedroht.

Platzeck als Vermittler soll weitere Streiks überflüssi­g machen, heißt es in einem offenen Brief an den Lufthansa-Vorstand. Man müsse die öffentlich­en Schuldzuwe­isungen und inhaltsfre­ien Eskalation­en beenden, verlangte die stellvertr­etende Ufo-Vorsitzend­e Sylvia de la Cruz.

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Rasch noch shoppen, bevor es weh tut: Der Kursverfal­l des Pfundes macht die vielen Importware­n auf der britischen Insel teurer

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