„Die Musik darf nicht vollständig sein“
Der in New York lebende schwedische Komponist Mikael Karlsson über Ballettkomposition
KURIER: Bei „Blanc“wird zu Ihrer Musik gesprochen. Wie gehen Sie damit um? Mikael Karlsson: Wir müssen eine Balance finden, damit die Musik nicht zu sehr in den Hintergrund rückt. Einen Rhythmus finden und Stellen suchen, an denen die Musik Raum lässt für die Worte. Wussten Sie, dass auch Text vorkommen wird?
Ja, aber nicht, dass es so viel sein würde. Aber man darf auch nicht so viel darüber nachdenken, während man komponiert, sonst wird es Soundtrack-Musik. Ich möchte, dass die Musik selbstständig funktioniert, der Text muss sich dann daran anpassen. Was muss man berücksichtigen, wenn man Musik fürs Ballett schreibt?
Man muss vor allem Freiräume lassen für das, was auf der Bühne passiert. Die Musik darf nicht in sich vollständig sein. Es sollte etwas fehlen. Und es sollte Musik sein, zu denen die Tänzer sich bewegen wollen. Sie sollten verstehen, was die Musik macht, nicht nur einen Takt durchzählen. Es funktioniert erst, wenn sie musisch agieren. Wie arbeiten Sie mit dem Choreografen zusammen?
Meistens ist es so, dass er eine Idee hat. Dann schickt er mir ein Skript und fragt mich, ob ich Referenzmusik will. Ich sage fast immer ja. Es wird sowieso nie genau so, aber dann habe ich zumindest eine ungefähre Vorstellung, was gewünscht ist. Dann schreibe ich 30-SekundenSchnipsel, viel zu viele, und diejenigen, die dem Choreografen gefalle, baue ich aus. Dieser Prozess ist meistens sehr frei. Meine Lieblingschoreografen sagen, mach’, was immer musikalisch funk- tioniert. Und dann geht das hin und her. Beim Ballett muss die Musik sehr früh fertig sein. Es ist sehr viel Planung erforderlich. Sie arbeiten an drei Opern, schreiben auch Filmmusik. Was ist besonders am Ballett?
Zwei Dinge liebe ich am Tanz: Dass Musik zuerst kommt. Das ist ein Privileg für einen Komponisten, denn wenn man etwa für Filme schreibt, muss sich die Musik anpassen. Und ich mag die Dynamik. Dass visuell etwas passiert, was aber nicht immer unbedingt eine lineare Geschichte erzählen muss. Außerdem ist es toll, mit diesen unglaublichen artistischen Athleten zu arbeiten.