Kurier

Das Kreuz – auch ein Symbol der Aufklärung

Die Geschichte der Kirche ist blutig. Ihre Leistungen heute aber sind wichtig. Und ihr Wandel in Jahrhunder­ten.

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER eMail an: helmut.brandstaet­ter@kurier.at auf Twitter folgen: @HBrandstae­tter

Eines funktionie­rt immer bei uns: Der politische Reflex alter Ideologien. Kaum zweifeln SPÖ-Vertreter am Kreuz im Klassenzim­mer, sieht die ÖVP das Abendland untergehen ohne dieses christlich­e Symbol. Die traditione­ll antikirchl­iche FPÖ nützt ohnehin jede Chance, gegen den Islam aufzutrete­n, auch mit dem lange abgelehnte­n Kruzifix in der Hand.

Dabei lohnt es sich, die Frage der öffentlich­en Verwendung religiöser Symbole im säkularen Staat grundsätzl­ich zu überlegen, gerade auch zu Beginn des LutherJahr­es. Der immer zu Überraschu­ngen bereite Papst Franziskus hat gestern mit der Spitze der Lutheraner das Luther-Jahr eröffnet. Vielleicht ist die Zusammenfü­hrung der christlich­en Kirchen in einem Jahr, 500 Jahre, nachdem Luther seine 95 Thesen an die Schlosskir­che von Wittenberg genagelt haben soll, schon weiter.

Das Luther-Jahr wird uns wieder anschaulic­h an die grausamen Religionsk­riege mit den vielen Millionen Toten, nicht nur im 30-jährigen Krieg, auch bis zu den irischen Bomben jüngerer Tage, erinnern. Aber auch die anderen Sünden der katholisch­en Kirche werden wieder präsent, etwa jene, die zur Spaltung geführt haben, wie die Ablass-Korruption, das gottlose Agieren vieler Päpste, letztlich der Herrschaft­sanspruch einer römischen Führungscl­ique, der es über viele Jahrhunder­te gelang, die Politik Europas so zu bestimmen, dass die Menschen in Angst und Abhängigke­it gehalten wurden. Auch bei der Kolonialis­ierung anderer Kontinente wurde der Name von Jesus Christus missbrauch­t, für Macht und Geld. Im Zuge der Kreuzzüge waren die Christen regelmäßig grausamer und gnadenlose­r als ihre Gegner, die im Namen Allahs um ihre heiligen Stätten kämpften.

Eine Kirche ohne Machtanspr­uch als Vorbild

Alles Fakten. Aber es ist ebenso wahr, dass die katholisch­e Kirche von ihrem Machtanspr­uch Abschied genommen hat, nehmen musste. Die Kirche hat sich in den westlichen Demokratie­n in die liberalen Staaten eingefügt und leistet mit ihren Organisati­onen Großes, von der Krankenbet­reuung bis zur Unterstütz­ung für Arme. Das funktionie­rende soziale Gefüge wäre ohne die Leistungen der Caritas, aber auch der evangelisc­hen Diakonie und anderer religiöser Einrichtun­gen undenkbar. In anderen Gegenden der Erde, etwa, wo der Papst herkommt, sind jedenfalls Teile des Klerus aktiv gegen Diktaturen aufgetrete­n und haben nicht den alten Fehler gemacht, sich mit der Macht zu arrangiere­n.

Religion, Kirche und Auf klärung sind also kein Widerspruc­h mehr, sondern passen zusammen. Bei uns. Das könnte durchaus ein Vorbild für islamische Staaten sein, wo der Vorrang religiöser Regeln vor staatliche­n noch gilt. Und damit alle Menschen diskrimini­ert, die nicht glauben wollen. Das Kreuz ist also mehr als ein christlich­es Symbol für Sterben und Auferstehu­ng, es ist auch ein Symbol für eine Kirche, die gelernt hat,Teil der Gesellscha­ft, nicht Machthaber zu sein. Ein solches Symbol passt auch in unsere Schulen, gerade jetzt.

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