„NGO-Wahnsinn“vor lybischer Küste?
Fakten-Check. Die wichtigsten Fragen & Antworten im Streit ums Dichtmachen der Mittelmeer-Route
Könnte die EU die Mittelmeerroute schließen? Anfang Februar vereinbarten die EU-Staats- und Regierungschefs auf Malta einen Zehn-Punkte-Plan zur Eindämmung der Migration durch und aus Libyen über das Mittelmeer. Libyen ist mit Abstand das wichtigste Transitland für Migranten.
Von einem absoluten Dichtmachen der Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer spricht niemand, weil es schlicht unmöglich wäre, einen Wall im Meer zu errichten, sagte kürzlich Frontex-Chef Fabrice Leggeri. Die EU finanziert die Ausbildung der libyschen Küstenwache auf Zypern. 100 Mann sind bereits ausgebildet, 700 weitere in Schulung. Die EU will libysche Organisationen unterstützen, die Migranten aufnehmen. Gemeinsam mit dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR sollen sichere und angemessene Aufnahme-Einrichtungen in Libyen errichtet werden. 200 Millionen Euro stellt die EU vorerst dafür zur Verfügung. in Libyen bis zu 500.000 Flüchtlinge auf ihre Reise Richtung EU. Das Mandat der Mission wurde 2016 erweitert. Diente der Einsatz anfangs allein der Rettung von Bootsflüchtlingen zwischen Libyen und Italien, dürfen die Einsatzkräfte jetzt auch Schiffe nach Schleppern und Waffenschmugglern durchsuchen und beschlagnahmen. Angesichts eines fehlenden UN-Mandates bzw. einer Einladung der libyschen Regierung bleibt dies jedoch auf internationale Gewässer beschränkt. Das Auslaufen der Schlepperboote von der libyschen Küste darf „Sophia“weiterhin nicht unterbinden. Sind die Flüchtlinge in internationalen Gewässern und suchen um Asyl an, haben sie laut Völkerrecht Anspruch auf ein Verfahren. Dafür werden sie zum überwiegenden Großteil nach Italien gebracht.
Laut Brüsseler EU-Experten ist das Vorgehen gegen Waffenschmuggel erfolgreich. Was die Bekämpfung der Schlepperkriminalität angeht, ist der Erfolg mäßig, weil „Sophia“nicht in libysche Küstengewässer vordringen darf
Dem Vernehmen nach würden Russland und China so ein Mandat auch blockieren. EU-Beamte sagen, dass es für ein effizienteres Vorgehen von „Sophia“gegen Schlepper auch mehrerer Schiffe bedürfte. sie weniger durchführen, weil die Flüchtlingsboote außerhalb ihres Operationsbereiches von „Sophia“und NGOs aufgebracht werden. 40 Prozent der Flüchtlinge werden von NGOs gerettet. Wie arbeiten die NGOs an der libyschen Küste? Mehr als zwölf NGOs bergen derzeit Bootsflüchtlinge an Libyens Küste. Ihnen wird von Kritikern vorgeworfen, dadurch die Schlepper zu ermutigen, die Flüchtlinge in noch schlechtere Boote zu stecken, um die Flüchtlinge rasch aufgreifen zu können. Für Mario Thaler, den Geschäftsführer von „Ärzte ohne Grenzen Österreich“hängt das vor allem mit der erhöhten Nachfrage für Boote zusammen, weswegen diese Boote auch billiger würden. Für Thaler zählt grundsätzlich eines: „Wir wollen vor Ort sein, um Menschenleben zu retten“. Die Organisation hält sich laut Thaler an die Gesetze und operiert 25 Seemeilen vor der libyschen Küste, dringt daher nicht in libysche Hoheitsgewässer ein.
Für Kritik – auch von Frontex – sorgt immer wieder die Initiative privater Hilfsorganisationen, die ihre Einsätze in libyschen Gewässern durchführen.
Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi herrscht in Libyen Chaos – zurzeit ringen drei Regierungen um die Macht. Die sogenannte Einheitsregierung von Fajis al-Sarraj, die seit März 2016 offiziell besteht und von UNO und EU anerkannt wird, hat de facto keine Kontrolle im Land. Nichteinmal die Hauptstadt Tripolis befindet sich vollkommen in der Hand von Sarraj . Trotzdem hält die EU daran fest, die Einheitsregierung zu unterstützen und ihre LibyenHilfe über diese Regierung laufen zu lassen.
Laut der Welt am Sonntag möchte die Europäische Union die libysche Einheitsregierung mit Helikoptern und Drohnen unterstützen, um die Fluchtroute nach Libyen einzudämmen. Der renommierte österreichische Libyen-Analyst Wolfgang Pusztai sieht dafür keine Chance: „Der Süden Libyens wird von lokalen Stämmen kontrolliert, der Regierungseinfluss dort ist gleich null. Die Stämme der Tuareg und Tubu sind traditionell die Hauptverantwortlichen für den Menschenhandel – sie leben seit Jahrtausenden vom Schmuggel“, sagte er gegenüber dem KURIER. Tuareg und Tubu kooperieren mit Schlepperorganisationen und Milizen an der Küste.
Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ertranken in diesem Jahr bereits 500 Flüchtlinge, die von Libyen aus in See stachen. Vergangenen Donnerstag entdeckten Hilfsorganisationen zwei gekenterte Boote – es wird von 250 weiteren Toten ausgegangen, dann wären es 750. Frontex prognostiziert für 2017 mehr Flüchtlinge und mehr Tote als im vergangenen Jahr. 2016 zählte IOM 4579 Tote im Mittelmeer.