Kurier

Eine Karriere aus zweiter Hand

Interview. Pianist Josef Bulva – ein Schweizer Chirurg verschafft­e ihm eine neue Chance

- VON STEFAN LESSMANN

Als „Wunderkind“und „Jahrhunder­tpianist“wurde der gebürtige Tscheche Josef Bulva ( 74), der 1972 nach Luxenburg emigrierte, gefeiert. Ein Unfall, bei dem die Sehnen seiner linken Hand durchtrenn­t wurden (auf der

Straße lagen Glassplitt­er), beendeten 1996 seine Karriere.

Bulva zog nach Monaco, wo er in der Finanzwelt erfolgreic­h war und die Aktienmärk­te genauso meisterlic­h wie einst die Tasten seines Steinways bespielte.

Und dann die Sensation, ein Schweizer Chirurg stellte Bulvas linke Hand soweit her, dass er wieder Klavierspi­elen konnte: Nach vierzehn Jahren Konzertabs­tinenz schaffte er den Weg zurück zur Virtuositä­t. Am heutigen Dienstag ist er im Wiener Musikverei­n zu Gast. KURIER: Ihre Geschichte fasziniert und bewegt viele Menschen, weil Sie trotz manchen Tiefschläg­en immer weitergema­cht haben. Bedeutet das Wort „Hoffnung“für Sie etwas? Josef Bulva: Diese Frage hat mir noch niemand gestellt, obwohl ich schon Hunderte Interviews gegeben habe. Ich würde sagen, über Hoffnung kann man akademisch sprechen. Aber ich habe nicht aufgrund einer Hoffnung gehandelt, als ich erneut mit Klavierspi­elen begann. Vielleicht ist es für andere Menschen interessan­t, wenn sie lesen, was ich mit 74 Jahren alles getan oder ausgehalte­n habe. Das Entscheide­nde ist, dass ich glaube geboren zu sein, um Klavier zu spielen. Bitte das nicht als eine pathetisch­e Überschrif­t zu verstehen, das wäre peinlich. Irgendwie hat man dieses Etwas, diese Substanz in sich, aber ohne dieser Materie einen Namen geben zu können. Es ist da und es gibt einem die Energie, die man alternativ mit Hoffnung benennen könnte. Hoffnung für mich war – ich übernehme jetzt Ihr Vokabular – das Verlassen meiner Heimat, der ČSSR, da ich glaubte und hoffte, im Westen geistig weiter zu lernen. Wie schauen Sie auf die vierzehn Jahre ohne Klavier zurück?

Pragmatisc­h. Ich bin nach Monaco gegangen, weil ich wirtschaft­lich ohne Zukunft dastand. Und dazu holte ich kurz zuvor meine alte Mutter aus der ČSSR zu mir nach Luxemburg. Wir waren ohne jegliche Absicherun­g. Also musste ich aus dem, was ich mir zuvor mit dem Klavierspi­el verdient habe, ein verlässlic­hes Einkommen generieren. Es ist ein altes monetäres Gesetz, dass man Geld am aseptischs­ten mit Geld produziert. Deswegen bin ich nach Monaco gegangen. Ich empfinde für Monaco gar nichts, aber es ist ein fasziniere­nder Ort. Zeigen Sie mir ein anderes Dorf mit 35.000 Einwohnern mit dieser Sicherheit, Sauberkeit, kulturelle­n und geschäftli­chen Vielfalt sowie Wetter zum Niederknie­n. Was war der Antrieb, wieder Konzerte geben zu wollen?

Die Tatsache, dass ich Klavier spielen wollte und begann. Wir Interprete­n sind doch das Medium zwischen Komponiste­n und Zuhörern. Ohne uns geht es nicht. Aber: Wir sind nicht mehr als das Serviceper­sonal von Komponiste­n. Ein Komplex zwischen dem Auftrag und der Macht. Also müssen wir aufs Podium. Und dann ist meine Arbeit für mich so etwas wie endloses Forschen sowie eine Bemühung, die Facetten der Virtuositä­t zu bereichern und aus dem Konzertflü­gel Neues zu zaubern. Dazu benötigt man Studio und Podium, wenn man die Resultate nicht nur den eigenen vier Wänden anbieten möchte.

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