Wärme erfreut Mensch und Zeck: Die Tiere sind mittlerweile fast das ganze Jahr aktiv.
Ob Trendwende oder nur zufällige Schwankung – für eine solche Aussage ist es zu früh. Jedenfalls ist die Zahl der Fälle von FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME) leicht angestiegen: 2016 gab es 89 dokumentierte Erkrankungen, 2015 waren es 71. Gleichzeitig geht die Durchimpfungsrate – speziell bei Kleinkindern – deutlich zurück. Nur 35 Prozent der Kinder im Alter bis unter drei Jahren hatten laut einer GfK-Erhebung einen Impfschutz, 2011 waren noch 61 Prozent geimpft.
„Viele Menschen wiegen sich heute in falscher Sicherheit“, sagt Andrea Vlasek, Präsidentin der Apothekerkammer Wien. Einen besonders starken Anstieg an FSME-Erkrankungen gab es in Tirol (Grafik). Dies könnte eine Folge der Erwärmung sein. „Wir müssen uns von der trügerischen Vorstellung verabschieden, dass es in höheren Regionen keine Zecken gibt“, sagt Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer.
Zecken und Kälte Dass es
heuer wegen des kalten Winters weniger Zecken geben könnte – davon darf mannicht ausgehen, sagt der Parasitologe Georg Duscher von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. „Die Zecken sind sehr gut angepasst, sie halten Kälte aus.“Laubstreu und – wo er vorhanden war – Schnee bilden eine gute Isolierschicht. „Zecken gibt es sogar in Skandinavien, wodie Winter üblicherweise deutlich strenger sind als bei uns in Mitteleuropa.“
Zeckenaktivität „Zecken sind mittlerweile fast das ganze Jahr aktiv – im Vorjahr fanden wir bis in den Dezember aktive Exemplare“, sagt Duscher. Sobald es mehrere Tage zumindest fünf bis sieben Grad hat, suchen sie wieder nach Nahrung in Form von Blut. „Noch vor einigen Jahren beobachteten wir im Frühjahr und im Herbst einen Aktivitätsgipfel, im Sommer hingegen eine ruhigere Phase. Aber jetzt gibt es durchgehend eine hohe Aktivität.“
Klimawandel Die Temperatur ist zwar – u.a. neben der Feuchtigkeit und den Winden – nur ein Faktor, der die Zecken beeinf lusst. Aber wenn die Schneedecke zurückgeht, finden zum Beispiel Rehe Nahrung auch in höheren Regionen – und fungieren dabei als „Zecken-Taxi“, wie Duscher sagt.
Stechen, nicht beißen
Der gemeine Holzbock schneidet mithilfe seiner Mundwerkzeuge ein Loch in die Haut, sticht den Stechrüssel in die Wundöffnung hinein und klebt ihn mit Zeckenzement fest – daher spricht man von einem Stich und nicht von einem Biss. Weibchen können das 100- bis 200-fache ihres Gewichtes an Blut aufnehmen.
Lebensraum Die Spinnentiere sitzen im Laub und klettern nur von Zeit zu Zeit zwecks Futteraufnahme auf Grashalme und Sträucher. Dort lassen sie sich von ihren Wirten abstreifen. Zur Wasseraufnahme müssen sie auf den Boden zurückkehren.
Entfernung „Früher hat man gesagt, dass man sie mit einer Zeckenzange oder einer feinen Pinzette unbedingt gerade herausziehen sollte“, sagt Duscher. „Aber wenn man eine leicht drehende Bewegung macht, lösen sich die Widerhaken der Mundwerkzeuge leichter. Bei Tieren hat sich ge- zeigt, dass auf diese Weise die Schmerzreaktion geringer ist.“Jedenfalls sollte man nicht zu wild sein, um die Zecke nicht zu zerteilen, sondern als Ganzes herauszubekommen. Durch vorsichtiges Drücken werden keine Krankheitserreger ins Blut gepresst. Kein Öl verwenden: Dadurch kann die Zecke in ihrem Todeskampf Erreger in die Wunde abgeben.
Borreliose Gegen eine Infektion mit Borrelien hilft die FSME-Impfung nicht, und einen BorrelioseImpfstoff gibt es für den Menschen noch nicht – sehr vielversprechende Forschungen dazu in Wien konnten von den Wissenschaftern nicht weitergeführt werden. „Tritt an einer Stichstelle eine Rötung so groß wie eine Zwei-EuroMünze oder sogar größer auf, muss man den Verlauf beobachten“, betont Schmitzberger. Sollte sich der Verdacht bestätigen, ist eine ausreichend lange Antibiotika-Therapie notwendig: „Eine Woche reicht im Regelfall nicht.“Das Therapieschema bei Borreliose dauert zwei bis drei Wochen.
Erreger-Häufigkeit „In Wien sind 25 Prozent der Zecken Träger von Borreliose-Erregern“, sagt Duscher. Wie viele Zecken mit FSME-Viren kontaminiert sind, lässt sich nicht so klar sagen: „Hier gibt es Infektionsherde, die jeweils die Größe eines halben Fußballfeldes haben.“Nach Schätzungen können in solchen Herden bis zu 15 Prozent der Zecken Virenträger sein.