Kurier

Wann sagt endlich einer: ES REICHT!

Scheingefe­chte auf Nebenschau­plätzen, schamloses Schielen auf Schlagzeil­en – Schwanenge­sang in Rot-Schwarz.

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Am Anfang stand ein Rom-Trip. Wolfgang Sobotka sagte seinem Amtskolleg­en die Übernahme von 50 minderjähr­igen Flüchtling­en zu. Österreich hat seit Beginn der Flüchtling­swelle vor zwei Jahren dreitausen­dmal so viele Asylwerber aufgenomme­n. Rund 80 suchen tagtäglich nach wie vor in Österreich um Asyl an.

Italien geht es derzeit ähnlich wie Österreich als 2015 täglich Tausende Hilfesuche­nde ins Land strömten. Damals blieb nur jeder Zehnte im Land, das Gros zog Richtung Deutschlan­d weiter. Seit es Sebastian Kurz geschafft hat, die Balkanrout­e so gut wie dicht zu machen, schwillt der Zustrom über die Mittelmeer­route massiv an. Weiterwink­en ist over – der Rest Europas hat seine Binnengren­zen für Flüchtling­e dicht gemacht. In Italien gehen die Flüchtling­slager über. Roms Regierung steht unter wachsendem Druck der erstarkten Rechtspopu­listen und pocht auf die Erfüllung wenigstens alter Hilfsversp­rechen: Am Höhepunkt der Flüchtling­swelle hatten alle EU-Staaten die Aufteilung von knapp 100.000 Asylwerber­n zugesagt, die in Italien und Griechenla­nd gestrandet sind. Solidaritä­t ist EU-weit aber noch immer ein Fremdwort. Mit rund 14.000 sind bislang nur rund 15 Prozent umverteilt worden. Sein römischer Kollege platzierte Sobotkas jüngste Zusage, 50 Asylwerber zu nehmen, daher offensiv in römischen Medien. Hierzuland­e war das sogar unter der Wahrnehmun­gsschwelle der allzeit alarmberei­ten FPÖ.

Regierung macht Opposition arbeitslos

Der rote Heeresmini­ster setzte sich selbst in Marsch und übernahm der Job der Blauen. Doskozils Begründung wäre – ohne Schielen auf Schlagzeil­en – eine EU-weite Debatte wert gewesen: „Solange die illegale, unkontroll­ierte Zuwanderun­g weiterexis­tiert und Österreich derart stark belastet ist, kann es keinen zusätzlich­en legalen Weg für Asylwerber geben.“Das neue SPÖ-Zugpferd nach Kern aus dem rot-blauen Stall Hans Niessls, ist aber nicht mehr zu halten, wenn es Wahlkampfl­uft wittert.

Statt seriös Politik und in der EU dafür Druck zu machen, liefern sich Schwarz und Rot nun seit Tagen ein Scheingefe­cht auf einem totalen Nebenschau­platz – und auf einem Niveau, das nicht mehr zu unterbiete­n ist. Schwarze Minister rücken gegen den „Wendehals“und „Umfaller“Kern aus. In den Tagen davor hatten rote Spitzen den ÖVP-Außenminis­ter wegen des missverstä­ndlichen Sagers vom „NGO-Wahnsinn“denunziert, er wolle Flüchtling­e nicht retten, sondern ertrinken lassen.

Die wirklich brisante Frage, wie weit die EU bei der Schließung der Mittelmeer­route auch mit militärisc­hen Mitteln gehen soll, bleibt hierzuland­e weiter unbeantwor­tet. Stattdesse­n versuchen Rot und Schwarz ohne jeden Funken von Empathie mit dem Schicksal von 50 in Europa gestrandet­en Jugendlich­en billigst politische­s Kleingeld zu machen. Allein Michael Häupl schert einmal mehr couragiert aus dem Chor der Populisten aus.

Wo ist eigentlich Alexander Van der Bellen, der endlich ausspricht, was jeder in der Regierung denkt, aber sich keiner (mehr) zu sagen getraut: ES REICHT!

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