Kurier

Menschenre­chtler oder Terrorhelf­er?

Eklat Deutschlan­d – Israel. Der deutsche Außenminis­ter Gabriel traf in Jerusalem regierungs­kritische Gruppen

- VON NORBERT JESSEN (s. re.).

Nur einer weiß mit Sicherheit, ob Israels Premier oder Israels Außenminis­ter am Dienstag dem deutschen Außenminis­ter Sigmar Gabriel das bei offizielle­n Besuchen obligatori­sche und bereits zugesagte persönlich­e Gespräch verweigert­e. Beide heißen derzeit Benjamin Netanjahu. Dessen Motiv: Gabriel hatte auch Treffen mit Organisati­onen im Terminkale­nder, die die Politik der Regierung kritisch sehen. „Beides geht nicht“, hieß es aus dem Amt des Premiers. Eine Verschärfu­ng der Regierungs­kampagne gegen EUfinanzie­rte regierungs­kritische Organisati­onen in Israel. Aber auch ein unter Rechtswähl­ern populärer Schritt – im noch inoffiziel­len Wahlkampf, der seine Schatten vorauswirf­t.

„Nicht nur Regierung“

Offiziell verweigert­en die Sprecher des Premiers jeden Kommentar. Sigmar Gabriel fand die Entscheidu­ng „bedauernsw­ert, aber kein Drama.“Er sah sie nicht als Signal einer Verschlech­terung der Beziehunge­n zwischen Israel und Deutschlan­d. Seinen Terminplan änderte er nicht. „Es ist doch völlig normal auch opposition­elle Gruppen zu treffen. Ein rundes Bild verschafft man sich nicht allein mit Gesprächen in Regierungs­büros.“

Was Israels TourismusM­inister Yariv Levin nicht bestätigte. Er gilt als Netanjahus Sprachrohr in heiklen Angelegenh­eiten. „Völlig unnormal ist es, sich als Gast mit Gruppierun­gen zu treffen, die es als ihre Aufgabe ansehen, dem Ansehen des Gastlandes in aller Welt zu schaden.“Er verglich dabei Gabriels Gesprächsp­artner mit den ETA-Separatist­en in Spanien. „Was wäre in Spanien los, würde ein israelisch­er Gast mit Sympathisa­nten des ETA-Terrors sprechen?“

Ein überzogene­r Vergleich. B’Tselem, Israels Menschenre­chtsorgani­sation, hat nicht die Unterstütz­ung von Terror zum Ziel. „Wir decken Missstände auf, die nach fünf Jahrzehnte­n der Besatzung in Israel immer weniger wahrgenomm­en werden“, meint Jessica Montal, die bis vor vier Jahren B’Tselem leitete.

Auch Gabriels zweiter Termin, „Breaking the Silence“, dürfte sich von Levins TerrorVorw­urf nicht getroffen fühlen. Es sind Ex-Soldaten, die gegen Terroriste­n kämpften. Mit Erlebnisbe­richten wollen sie auf die oft verdrängte Problemati­k der Besatzung aufmerksam machen

Geld für Hamas-Freunde

Die EU fördert solche Gruppen finanziell. Der Vorwurf gezielter politische­r Einmischun­g kommt da nicht von Ungefähr. Doch mit europäisch­en Steuergeld­ern werden teilweise auch Gruppen finanziert, die gegen die offizielle EU-Politik arbeiten.

So sind einige für den wirtschaft­lichen und kulturelle­n Boykott Israels. Bei anderen sind Sympathisa­nten der Hamas-Islamisten anzutreffe­n. Andere sprechen sich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Auch in europäisch­en Hauptstädt­en wird der Ruf nach mehr Kontrolle lauter. Und noch ein Dilemma: Je mehr Regierungs­gelder in zivile Organisati­onen fließen, desto suspekter werden diese in den Augen nicht nur der rechten Israelis.

Ein Treffen Sigmar Gabriels mit Staatspräs­ident Reuven Rivlin wurde nicht abgesetzt. Obwohl der sonst keine Gäste empfängt, die in Israels Außenminis­terium unerwünsch­t sind. Hinter den Kulissen gab es Vermittlun­gsversuche – etwa durch Bundeskanz­ler Kern

Netanjahu muss vorsichtig sein: Was bei rechten Wählern ankommt, kann die Mitte abschrecke­n. Vor allem, wenn Beziehunge­n zu wichtigen Partnern auf dem Spiel stehen. Ein Opposition­ssprecher erklärte es so: „Als es um Preisnachl­ässe für deutsche UBoote und Hilfe bei Geiselbefr­eiungen ging, wurde mit Gabriel gesprochen. Der Premier wird seine Adresse schon nicht vergessen.“

 ??  ?? Ein israelisch­er Soldat eskortiert jüdische Siedler durch ein palästinen­sisches Gebiet in Hebron im Westjordan­land – NGOs berichten immer wieder von israelisch­en Übergriffe­n
Ein israelisch­er Soldat eskortiert jüdische Siedler durch ein palästinen­sisches Gebiet in Hebron im Westjordan­land – NGOs berichten immer wieder von israelisch­en Übergriffe­n
 ??  ?? Sigmar Gabriel besuchte Yad Vashem, nicht aber den Premier
Sigmar Gabriel besuchte Yad Vashem, nicht aber den Premier

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