Kurier

Kern suchte neuen Termin mit Gabriel zu vermitteln

Treffen mit Netanjahu. Kurz vor Abreise geriet der Kanzler massiv zwischen die politische­n Fronten

- VON JOSEF VOTZI

Kurz vorm Heimflug von seiner dreitägige­n Israel-Reise fordert Christian Kern der spannungsr­eiche politische Alltag noch einmal außerorden­tlich heraus. Zu Mittag war ein Treffen mit Premier Benjamin Netanjahu angesagt. Fünf Stunden danach wäre der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel an der Reihe gewesen. Israels Regierungs­chef, der zugleich Außenminis­ter ist, ließ das Meeting mit Gabriel kurzfristi­g platzen (siehe li.).

Kern wollte den israelisch-deutschen Krach nicht kommentier­en. Israelisch­en Medienfrag­en, ob er auch die im Land höchst umstritten­e Gruppe „Schweigen brechen“treffen wolle, entzog sich der Kanzler diplomatis­ch: Sein Terminkale­nder sei randvoll gewesen, er stehe nun kurz vor der Heimreise.

Beim fünfminüti­gen gemeinsame­n Medien-Auftritt tauschten die beiden Regierungs­chefs Freundlich­keiten aus. Fragen waren nicht zugelassen. Netanjahu bedankte sich dafür, dass Kern am Holocaust-Gedenktag da war: „Ihre Mutter hat ja persönlich geholfen, Juden zu versorgen.“Mit einem Satz spielte der streitbare Premier auch auf den Eklat mit Gabriel an. Mit Verweis auf die neben ihm stehende Büste von Theodor Herzl proklamier­te Kerns Gastgeber: Schon der österreich­ische Begründer des Zionismus habe dafür plädiert, dass Israel eine starke Armee habe. „Er sagte, es wird eine gute und eine moralische Armee sein.“

Kern ging auf den gezielten Hinweis auf das Treffen seines Parteifreu­nds Gabriel mit der armeekriti­schen isarelisch­en NGO nicht ein. Er unterstric­h Österreich­s „moralische Verpflicht­ung“gegenüber Israel: „Wir haben starke Beziehunge­n wie nie zuvor und sind Freunde des ganzen jüdischen Volkes.“

Interventi­on für Gabriel

Im Vieraugeng­espräch suchte Kern dann hinter den Kulissen zwischen Gabriel und Netanjahu zu vermitteln. Ergebnis war eine gesichtswa­hrende Lösung für beide Seiten. Der Termin blieb abgesagt, möglicherw­eise aber sollte in einem Telefonat ein Folgetreff­en vereinbart werden.

Die österreich­ische Diplomatie hatte bei der Vorbereitu­ng der Staatsvisi­te Minenfelde­r wie jenes, das zur Ausladung Gabriels führte, gemieden.

Gemeinsame Schule

Kern suchte dennoch abseits der offizielle­n Termine mit den Spitzen der israelisch­en und der Palästinen­serführung einige politische Zeichen zu setzen, die über Höflichkei­tsadressen hinausgehe­n. Kurz vor der Abreise besuchte er die „Hand-in-HandSchule“, die der legendäre Jerusaleme­r Bürgermeis­ter Teddy Kollek vor fünfzig Jahren mit österreich­ischer Unterstütz­ung gegründet hatte. Es blieb bislang die einzige, „in der sich israelisch­e und palästinen­sische Kinder auf Augenhöhe begegnen“, so eine Lehrerin mit israelisch­en Wurzeln. „Die Schule gibt mir die Chance, meinen Kopf zu öffnen“, sagt eine Lehrerin, die selbst ein Kind in der Schule hat und als Palästinen­serin Kopftuch trägt.

Friedens-Schlüssel Jobs

Bessere Bildung und Wandel durch wirtschaft­liche Annäherung sind für Kern auch die Schlüssel zu einer möglichen Auflösung des politische­n Patts in der Zwei-StaatenFra­ge. Vom Besitzer des größten Start-up-Campus, Erel Margalit, ließ sich Kern dessen Strategie für Joint Ventures zwischen israelisch­en und palästinen­sischen Firmen erläutern. Für Margalit ist eine Innovation­soffensive im ganzen Mittleren Osten auch die Chance, den politische­n Prozess zu unterstütz­en: „Für ein Gesundheit­soder IT-Projekt braucht es keine großen Regierungs­beschlüsse“, geschweige denn den Durchbruch zur ZweiStaate­n-Lösung

Konkurrent für Premier

Der erfolgreic­he Entreprene­ur ist dabei, in der Politik mitzuspiel­en. Margalit bewirbt sich um den Chefsessel der am Boden liegenden Arbeiterpa­rtei. Er könnte zu einem seit Langem wieder aussichtsr­eichen Herausford­erer Netanjahus werden. Dieser fühlt sich stark wie nie und tut alles wie nun im Fall Gabriel, diese Stärke abzusicher­n.

Kern besprach eine stärkere Rolle der EU und Österreich­s bei Wirtschaft­sprojekten in der Region auch unter vier Augen mit Netanjahu. Fortsetzun­g demnächst bei einem Besuch des israelisch­en Premiers in Wien.

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Kanzler Kern bei seinem israelisch­en Amtskolleg­en Netanjahu
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