Nach Anzeigenflut bricht unter Nachbarn eine Hexenjagd los
Maria Enzersdorf. Anrainer wehren sich gegen Verdächtigungen, Mitbürger wahllos anzuzeigen.
Autofahrer bremsen ab, mustern finster die Gärten am Straßenrand, werfen Passanten misstrauische Blicke zu. Schilder mit der Aufschrift „Wir haben niemanden angezeigt“oder „Wir sind’s nicht“, ist hängen an Gartenzäunen. Seit ein Anrainer in Maria Enzersdorf seine Nachbarn mit Anzeigen wegen jedem Regelverstoß drangsaliert, ist der Unmut und das Misstrauen groß. „Jeder hier ist schon einmal angezeigt worden“, bringt es ein Nachbar auf den Punkt.
Mehr als 600 Anzeigen sind alleine heuer bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling eingelangt, seit 2015 waren es mehr als 1000. Wie berichtet, hat es der Anrainer besonders auf Falschparker bei der nahen Müllinsel abgesehen. Zuletzt wurden auch Autofahrer angezeigt, die ihre Kinder bei den nahen Schulen aussteigen ließen oder in der Kurve die Mittellinie mit zwei Rädern überfuhren.
Der Ärger bei den Betroffenen ist groß. Viele versuchen, den Übeltäter auf eigene Faust ausfindig zu machen. Dabei wurden zuletzt auch die Falschen verdächtigt. „An den vergangenen zwei Wochen ist das ausgeartet, dass Autos langsam an meinem Grundstück vorbei gefahren sind und mich gefilmt haben“, berichtet ein Anrainer, der gegenüber der Müllinsel wohnt. „Damit könnte ich leben, aber ich habe einen Hund und habe Angst, dass ihn irgendwer vergiftet.“Daher hängte der Mann Schilder auf, auf denen er seine „Unschuld“beteuert. Doch auch der selbst ernannte Sheriff, war bereits Adressat von Beschimpfungen und Drohungen. Es sollen sogar Exkremente in dessen Brief kasten gelandet sein.
Hände gebunden
Da der Mann tatsächliche Verwaltungsübertretungen – wenn auch Bagatelldelikte – anzeigt, sind den Behörden die Hände gebunden. Die Gemeinde hat Hinweisschilder zur Parkordnung bei der Müll- insel aufgestellt. Zudem hat sie im Vorjahr Parkplätze markieren lassen, um Anzeigen hintanzuhalten. Dazu musste ein Verkehrsplaner beauftragt werden. Bürgermeister Johann Zeiner spricht von einem „echten Problem“. „Der Herr erreicht nur den Unmut der Kleinregion. Das ist kein effektiver Beitrag zur Sicherheit.“In der Gemeindezeitung appelliert Zeiner, „alle Regeln und Vorschriften genau einzuhalten.“
„Dass die Bevölkerung erbost ist, kann ich verstehen“, sagt auch Bezirkshauptmann Philipp Enzinger. Einzige Handhabe gegen den DauerAnzeiger scheint das Datenschutzgesetz zu sein. Eine Überwachung des öffentlichen Raums durch Private mit Video oder Serienbildern ist laut Enzinger eigentlich nicht erlaubt. Die Causa wird nun rechtlich geprüft. Die Verwaltungsstrafe kann bis zu 25.000 Euro betragen.