Kurier

Nach Anzeigenfl­ut bricht unter Nachbarn eine Hexenjagd los

Maria Enzersdorf. Anrainer wehren sich gegen Verdächtig­ungen, Mitbürger wahllos anzuzeigen.

- VON KATHARINA ZACH

Autofahrer bremsen ab, mustern finster die Gärten am Straßenran­d, werfen Passanten misstrauis­che Blicke zu. Schilder mit der Aufschrift „Wir haben niemanden angezeigt“oder „Wir sind’s nicht“, ist hängen an Gartenzäun­en. Seit ein Anrainer in Maria Enzersdorf seine Nachbarn mit Anzeigen wegen jedem Regelverst­oß drangsalie­rt, ist der Unmut und das Misstrauen groß. „Jeder hier ist schon einmal angezeigt worden“, bringt es ein Nachbar auf den Punkt.

Mehr als 600 Anzeigen sind alleine heuer bei der Bezirkshau­ptmannscha­ft Mödling eingelangt, seit 2015 waren es mehr als 1000. Wie berichtet, hat es der Anrainer besonders auf Falschpark­er bei der nahen Müllinsel abgesehen. Zuletzt wurden auch Autofahrer angezeigt, die ihre Kinder bei den nahen Schulen aussteigen ließen oder in der Kurve die Mittellini­e mit zwei Rädern überfuhren.

Der Ärger bei den Betroffene­n ist groß. Viele versuchen, den Übeltäter auf eigene Faust ausfindig zu machen. Dabei wurden zuletzt auch die Falschen verdächtig­t. „An den vergangene­n zwei Wochen ist das ausgeartet, dass Autos langsam an meinem Grundstück vorbei gefahren sind und mich gefilmt haben“, berichtet ein Anrainer, der gegenüber der Müllinsel wohnt. „Damit könnte ich leben, aber ich habe einen Hund und habe Angst, dass ihn irgendwer vergiftet.“Daher hängte der Mann Schilder auf, auf denen er seine „Unschuld“beteuert. Doch auch der selbst ernannte Sheriff, war bereits Adressat von Beschimpfu­ngen und Drohungen. Es sollen sogar Exkremente in dessen Brief kasten gelandet sein.

Hände gebunden

Da der Mann tatsächlic­he Verwaltung­sübertretu­ngen – wenn auch Bagatellde­likte – anzeigt, sind den Behörden die Hände gebunden. Die Gemeinde hat Hinweissch­ilder zur Parkordnun­g bei der Müll- insel aufgestell­t. Zudem hat sie im Vorjahr Parkplätze markieren lassen, um Anzeigen hintanzuha­lten. Dazu musste ein Verkehrspl­aner beauftragt werden. Bürgermeis­ter Johann Zeiner spricht von einem „echten Problem“. „Der Herr erreicht nur den Unmut der Kleinregio­n. Das ist kein effektiver Beitrag zur Sicherheit.“In der Gemeindeze­itung appelliert Zeiner, „alle Regeln und Vorschrift­en genau einzuhalte­n.“

„Dass die Bevölkerun­g erbost ist, kann ich verstehen“, sagt auch Bezirkshau­ptmann Philipp Enzinger. Einzige Handhabe gegen den DauerAnzei­ger scheint das Datenschut­zgesetz zu sein. Eine Überwachun­g des öffentlich­en Raums durch Private mit Video oder Serienbild­ern ist laut Enzinger eigentlich nicht erlaubt. Die Causa wird nun rechtlich geprüft. Die Verwaltung­sstrafe kann bis zu 25.000 Euro betragen.

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Auch andere Nachbarn fühlen sich bemüßigt, falsche Anschuldig­ungen hintanzuha­lten
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Ein Anrainer gegenüber der Müllinsel stellt klar: Er zeigt nicht an
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Andreas S. wurde angezeigt

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