Kurier

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Reinhold Bilgeri. Der Musiker hat seinen zweiten Kinofilm abgedreht. „Erik. Weltmeiste­rin“soll im Herbst Premiere feiern.

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Für Reinhold Bilgeri ist die letzte Klappe gefallen. Die Dreharbeit­en zu seinem zweiten Kinofilm „Erik. Weltmeiste­rin“sind abgeschlos­sen. Den schönen Schein der Filmkuliss­en wird der 66-jährige Musiker („Some Girls are Ladies“) den Großteil des Sommers hindurch mit den vier Wänden eines Schneidera­ums tauschen müssen, denn sein Film soll im Herbst – rechtzeiti­g vor den Filmfestsp­ielen in Venedig und Toronto – fertig werden.

Im Mittelpunk­t steht Erik Schinegger: Der Mann, der 1966 – damals noch als Erika – Abfahrts-Weltmeiste­rin wurde und der ein Jahr nach Gold für Österreich durch das Ergebnis eines Geschlecht­stests aus der Spur geworfen wurde. Ein schwierige­s Schicksal und gerade deshalb ein schöner Stoff für einen internatio­nalen Film. KURIER: Was hat Sie an Erik Schinegger so fasziniert? Reinhold Bilgeri: Ich war in meiner Kindheit schon ein Fan der Erika und ein totaler Ski-Freak. Für mich stehen diese Sportler auf der gleichen Ebene wie große Filmemache­r, Rock- und Jazz-Musiker. Wenn heute der Marcel Hirscher einen Super-G runterdonn­ert, dann habe ich einen erhöhten Puls – so wie früher bei Erika Schinegger. Nicht, weil ich ein chauvinist­ischer Patriot bin, sondern weil ich dieses radikale Draufgänge­rtum schätze. Wagemut imponiert mir in allen Berufen – nicht nur beim Sport. Wie sehen Sie heute rückblicke­nd Ihre Kindheit?

Ich wollte immer schon raus aus dem verkrustet­en Konservati­vismus, der nach der Nazi-Zeit in Vorarlberg und natürlich auch in ganz Österreich zu spüren war. Obwohl meine Eltern keine Nazis waren. Mein Vater war sogar desertiert, hatte mit griechisch­en Partisanen gekämpft und geriet später in Ägypten in britische Gefangensc­haft. Ihre konservati­ve Haltung konnten meine Eltern allerdings nie wirklich ablegen. Meine Mutter war Dollfuß-Fan, aus einem tiefschwar­zen Haus. Das war der einzige Streitpunk­t zwischen uns. Sie wurde 101 Jahre alt und ich habe ihr bis zuletzt klar machen wollen, dass das eine Diktatur war. Aber weil der Dollfuß eben religiös war, war das für sie in Ordnung. Sie war Religionsl­ehrerin. Kommen Sie oft und gerne nach Vorarlberg zurück?

Ich liebe dieses Land, aber wenn man Schriftste­ller und Filmemache­r sein will, dann muss man hinaus. Zuerst einmal nach Wien und danach noch weiter, viel weiter. Für Ihren ersten Film „Der Atem des Himmels“haben Sie Ihre Existenz riskiert – was Sie für Ihre Karriere als Rockmusike­r wahrschein­lich nicht getan hätten. Warum bedeutet Ihnen das Filmemache­n so viel?

Das hat – wie so vieles – mit meiner Jugend zu tun. Als Kind bin ich einmal über eine Feuerleite­r aus dem Internat abgehauen, um mir im Kino „Lawrence von Arabien“anzuschaue­n. Danach bin ich – völlig paralysier­t von der Wucht des Films – zurück in mein Zimmer geklettert. Dort hat schon eine gelbe DejongScho­kolade auf mich gewartet – die hat damals zehn Schilling gekostet. Diese Schokolade sollte eine Art „Wegzehrung“sein. Ein Zeichen, dass ich das Internat

verlassen sollte. Am nächsten Tag hat man mich dann hinausgewo­rfen. Ich hatte Sorge, dass mich zu Hause Schläge erwarten, aber meine Mutter hatte offenbar ein schlechtes Gewissen, mich jahrelang ins Internat gesteckt zu haben. Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Aus diesem Erlebnis ist meine Liebe zum Film entstanden. Wenn man Ihr Filmschaff­en betrachtet, dann könnte man Sie als „Jungfilmer“bezeichnen. Wie fühlen Sie sich dabei?

(lacht) Eigentlich sehr gut. Denn ich sehe es als großen Vorteil, wenn man als Jungfilmer eine alte Seele hat. Eine alte Seele bedeutet Lebenserfa­hrung und eine gewisse Autorität, die man daraus schöpfen kann. Und beides ist bei der Arbeit mit Schauspiel­ern von Vorteil. Außerdem habe ich in meinem Alter mehr zu erzählen, als ich es in meiner Jugend gehabt hätte.

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Der „Jungfilmer“Reinhold Bilgeri am Set mit einem KURIER-Zeitungsbe­richt über Erik Schinegger

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