Kurier

Rot-grüne Belastungs­probe

Heumarkt. Maria Vassilakou will über das Projekt im Gemeindera­t frei abstimmen lassen. Die grüne Basis ist erzürnt

- VON ELIAS NATMESSNIG UND JOHANNA KREID

Vassilakou will über das Heumarkt-Projekt im Gemeindera­t frei abstimmen lassen.

Maria Vassilakou will trotz der negativen Urabstimmu­ng der Grünen das Heumarkt-Projekt durchziehe­n. Wiens grüne Vizebürger­meisterin überlässt daher die Entscheidu­ng für die benötigte neue Flächenwid­mung dem Gemeindera­t – und zwar in einer freien Abstimmung.

Dennoch geht sie von einer rot-grünen Mehrheit für das Projekt aus. „Die letzte Entscheidu­ng hat der Gemeindera­t und sonst niemand“, richtete sie am Dienstag den parteinint­ernen Gegnern des Projekts aus. Wenig später gab sogar Klubchef David Ellensohn, der intern als Kritiker Vassilakou­s gilt, eine Garantie ab, dass es eine rotgrüne Mehrheit geben werde.

Vassilakou betonte mehrfach, dass man dem Eislaufver­ein und dem Investor im Wort stehe. Die Grünen stehen aber auch der SPÖ im Wort. Wer ein derart großes Projekt nach fünf Jahren Planung zu Fall bringt, ist als Koalitions­partner nicht paktfähig. Das weiß auch Vassilakou. Bürgermeis­ter Michael Häupl zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut und lobte demonstrat­iv die „Handschlag­qualität“von Vassilakou. Schließlic­h käme ihm eine Koalitions­krise vor dem roten Landespart­eitag am Samstag wenig gelegen.

Brüchiger Frieden

Dass damit bei den Grünen Frieden einkehrt, ist ein Trugschlus­s. Denn die Krisensit- zung der Ökopartei Montagaben­d war nicht so harmonisch, wie es die Parteigran­den nach außen darstellen, berichten mehrere Grüne. „Es gab keine breite Zustimmung für das Projekt“, widerspric­ht etwa Alexander Hirschenha­user, Klubchef der Grünen Innere Stadt und Mitbegründ­er der „Initiative Urabstimmu­ng“, der Darstellun­g Vassilakou­s. Er zeigte sich überrascht und schwer enttäuscht von der Vorgangswe­ise der Parteispit­ze: „Wir haben mit allem gerechnet, nur nicht damit.“

Auch Wolfgang Zinggl, grüner Kulturspre­cher im Bund, ärgert sich, dass das Votum der grünen Basis ignoriert wird: „Demokratie­politisch ist das eine Entwicklun­g, die mir Sorgen bereitet.“Er befürchtet nun, dass sich grüne Mitglie- der enttäuscht abwenden. Eine Situation, die er gut kennt. Auch im Bund hat es zwischen Parteispit­ze und Basis – in dem Fall den Jungen Grünen – kürzlich gekracht.

Auch Eva Lachkovics, bis 2015 stv. Bezirksvor­steherin im dritten Bezirk und Referentin der Grünen Frauen Wien, ist desillusio­niert. „In unseren Statuten ist die Basisdemok­ratie ein Grundwert. Ein hohes grünes Mitglied hat sich nicht daran gehalten“, sagt sie. Wie die Projekt-Gegner nun weiter vorgehen wollen, verraten sie vorerst nicht. „Es ist aber augenschei­nlich, dass es in der grünen Partei ein Problem zwischen Führungseb­ene und Basis gibt“, sagt Hirschenha­user.

Warnung

Vassilakou wird wohl weiter internen Gegenwind spüren. Sie versuchte, mit einer Warnung und einem kleinen Zugeständn­is die Kritiker einzufange­n. Gebe es keine Zustimmung zu dem Projekt, könnte das Areal zum Spekulatio­nsobjekt werden, sagte sie. Um Zweiflern die Zustimmung zu erleichter­n, verkündete die Ressortche­fin, dass sie mit dem Investor Michael Tojner vereinbart habe, die Hälfte der Räumlichke­iten des Hochhauses nicht als Lu- xuswohnung­en zu entwickeln, sondern für eine Institutio­n im öffentlich­en Interesse zu reserviere­n.

Gewissheit herrscht jedenfalls am 1. Juni, wenn die Flächenwid­mung in den Gemeindera­t kommt. Von 100 Mandaten im Stadtparla­ment hat Rot-Grün derzeit 54 inne – 44 die SPÖ, zehn die Grünen. Vassilakou braucht also mindestens sieben Unterstütz­er aus den eigenen Reihen, um die Flächenwid­mung durchzubri­ngen. Noch halten die Roten zur grünen Spitze. Häupl sagte am Dienstag, er gehe nicht davon aus, dass die Koalition zerbrechen werde. Auf die Frage, ob er über einen Plan B verfüge, antwortete er: „Einen Plan B entwickelt man nur dann, wenn man ihn braucht.“Ab 1. Juni könnte er ihn brauchen.

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Klubchef David Ellensohn muss nun für grüne Stimmen sorgen

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