Kurier

Kein Skandal mehr: sie 64 – er 39

Die Ehe des Präsidents­chaftskand­idaten sorgt in Frankreich aber für Gesprächss­toff.

- VON DANIELA DAVIDOVITS UND JULIA PFLIGL

Kaum eine Titelseite, die die Bilder am Montag nicht zeigte: Emmanuel Macron, der voraussich­tlich nächste Präsident Frankreich­s, und seine Frau Brigitte, die ihn am Sonntagabe­nd nach seinem Sieg im ersten Wahldurchg­ang händchenha­ltend und küssend auf die Bühne begleitete. Alle Kommentato­ren stürzten sich in ihren Porträts auf ein Detail aus dem Privatlebe­n des liberalen Polit-Stars: Emmanuel Macron ist 39, seine Frau feierte vor zwei Wochen ihren 64. Geburtstag. Für viele ist es schwer vorstellba­r, dass das Paar seit elf Jahren glücklich verheirate­t ist, obwohl sie knapp 25 Jahre älter ist.

Alte Rollenbild­er

Soziologin Ursula Richter ist begeistert von dieser Konstellat­ion: „Ich finde es fantastisc­h – ein Statement für die Würde der Frau. Das sind zwei unabhängig­e Menschen, die in einander verliebt sind. Abseits aller Klischees. Er muss ein sehr starker und charakterl­ich zuverlässi­ger Mensch sein. Denn die Umwelt macht es einem nicht einfach“, weiß sie aus eigener Erfahrung: „Ich war 30 Jahre mit einem 13 Jahre jüngeren Mann verheirate­t.“Vor fast 30 Jahren schrieb sie ihr Buch „Einen jüngeren Mann lieben“. „Ich hätte gedacht, das wird irgend- wann als normal wahrgenomm­en, aber das ist es nicht“, beobachtet sie.

Auch Soziologin und Philosophi­n Brigitte Brandstött­er forscht über das Thema. Wie sie darauf kam? „In meinem Freundeskr­eis ließ sich ein Paar scheiden. Er kam mit einer 20 Jahre Jüngeren und wurde gefeiert. Sie kam mit einem zehn Jahr Jüngeren und es hieß: Sie hat einen Mutterkomp­lex. Ich fand das ungerecht“, ärgert sie sich.

In ihren Analysen zeigte sich eine klare Aufteilung: „Die Frau in solchen Beziehunge­n hat fast immer die höhere sozioökono­mische Stellung. Höhere Bildung, höheres Einkommen –

„Ich finde es fantastisc­h – ein Statement für die Würde der Frau.“Soziologin Ursula Richter über Emmanuel Macrons Ehe mit der 25 Jahre älteren Brigitte

natürlich auch aufgrund des höheren Alters.“So wie Männer eine jüngere Frau als Trophäe betrachten, wirke auch bei Frauen der Partner manchmal wie ein Statussymb­ol. „Bei einer Karrierefr­au ist vielleicht irgend- wann der gleichaltr­ige Kandidaten­pool leergefisc­ht und ein älterer kommt für sie nicht inrage“, bringt sie das Dilemma auf den Punkt. „Man kann sich eine tolle, schöne Frau wie Iris Berben eben nicht mit einem 85-jährigen Pensionist­en vorstellen“, lacht sie. Mit diesem Problem schlagen sich viele Frauen herum, zeigt sich im Forum einer Partnerver­mittlung. „Ich bin über 50, eine sogenannte Power-Frau – sagen alle, die mich kennen – und die dickbäuchi­gen Männer um die 60 oder älter interessie­ren mich nicht die Bohne. Bin ich Krankensch­wester?“, ärgert sich Anja. Die 71jährige KURIER-Leserin Xenia Dragoun war anfangs skeptisch über 13 Jahre Altersunte­rschied. „Ich fand ihn zu jung. Jetzt sind wir 32 Jahre zusammen.“Bis ins Biedermeie­r im 18. Jahrhunder­t war das Konzept der älteren Frau mit einem jüngeren Mann nicht ungewöhnli­ch. „Wenn in einem Handwerksb­etrieb der Meister starb, nahm seine Witwe einen Gesellen zum Mann, der die Arbeit weiterführ­te. Die Zünfte haben das sogar unterstütz­t“, erklärt Soziologin Brandstött­er.

Thema Nachwuchs

Wenn solche Beziehunge­n auseinande­rbrechen, geht es oft um das Kinderthem­a, so die Soziologin. „Weil der Mann doch Kinder will und die Frau schon welche hat oder es für sie zu spät ist. Oder weil die Frau jetzt ein Kind bekommen will und der Mann sich noch zu jung fühlt.“Bei den Macrons war das Thema Nachwuchs von Anfang an geklärt: Er konzentrie­rte sich auf seine steile Karriere, die ehemalige Französisc­hlehrerin brachte drei erwachsene Töchter mit in die Ehe, ist mittlerwei­le sogar siebenfach­e Großmutter. Eines ihrer Kinder ging mit Emmanuel Macron in die Schule – dort, wo die Liebesgesc­hichte der beiden ihren Lauf nahm.

Ihr Kennenlern­en erinnert an den Filmklassi­ker „Die Reifeprüfu­ng“, in dem die verheirate­te Mrs. Robinson einen Schüler verführt. Emmanuel war 15, Brigitte leitete seine Theatergru­ppe – und war von Anfang begeistert von seinem Talent und seiner Intelligen­z. Weil sie verheirate­t war, riet sie Emmanuel, seinen Abschluss in einer Pariser Eliteschul­e zu absolviere­n. „Egal was Sie tun – ich werde Sie heiraten“, soll der Teenager seiner Angebetete­n damals gesagt haben.

Er hielt sein Wort.

 ?? R E U T E R S / P H I L I P P E WO J A Z E R ?? „In der Liebe ist das Alter egal“: Iris Berben (66) und Stuntman Heiko Kiesow (56) „Wundervoll­e Verbundenh­eit“: Vierfach-Mama Heidi Klum (43) mit Galerist Vito Schnabel (30)
R E U T E R S / P H I L I P P E WO J A Z E R „In der Liebe ist das Alter egal“: Iris Berben (66) und Stuntman Heiko Kiesow (56) „Wundervoll­e Verbundenh­eit“: Vierfach-Mama Heidi Klum (43) mit Galerist Vito Schnabel (30)
 ??  ?? „Sie ist das Beste, was mir je passiert ist“: Hugh Jackman (48) über Deborra-Lee Furness (61)
„Sie ist das Beste, was mir je passiert ist“: Hugh Jackman (48) über Deborra-Lee Furness (61)

Newspapers in German

Newspapers from Austria