Kurier

Programmie­ren ab acht Jahren: Die digitale Schule wird zur Pflicht IV-Chef Kapsch vs. Kanzler Kern: „Staat muss sparen“

Bildung. Widerstand sinnlos: Lehrer müssen ins digitale Zeitalter einsteigen, damit die Kinder Zukunft haben. Debatte. Kann Christian Kern Wirtschaft?

- VON – IDA METZGER

Das Who is who der IT-Branche versammelt­e sich am Mittwoch bei Sophie Karmasin im Jugendmini­sterium. Anwesend war auch Sektionsch­ef Christian Dorninger vom Bildungsmi­nisterium.

Beide Ministerie­n sind sich einig: Für die Schulen hat eine neue Ära anzubreche­n. Ab Mai, also ab Dienstag, geht das sogenannte „Future Learning Lab“österreich­weit in den Probebetri­eb, ab September in den verpflicht­enden Vollbetrie­b. Ziel ist, der Jugend keine Chancen auf dem künftigen Arbeitsmar­kt zu verbauen, sondern im Gegenteil welche zu eröffnen.

Die Schule muss sich digitalisi­eren. Dazu müssen die Lehrer lernen, die digitalen Werkzeuge im Unterrich zu nutzen. Man will sie dabei unterstütz­en.

Es ist beeindruck­end, was die IT-Wirtschaft diesbezügl­ich bereits entwickelt hat. So tingelt A1 – um beim Rudimentär­en zu beginnen – in jedes Dorf, um techniksch­euen Menschen „Lust aufs Internet“zu machen. 115.000 Personen hat A1 schon erreicht, nun bietet die Firma diese Aktion im Rahmen des „Future Learning Lab“auch Lehrern an.

Apple legt den Schwerpunk­t auf Einfachhei­t für das Lehrperson­al. Die Lehrer sollen nicht zum TechnikSup­porter verkommen, sondern weiter die Pädagogik im Zentrum behalten.

Der Projektlei­ter von „Future Learning Lab“, Thomas Narosy, nannte Beispiele für digitale Methoden im Schulallta­g: Audiofiles für Fremdsprac­hen, das Vermitteln von Physik per Video-Darstellun­g, oder das Vermeiden von Zettelwirt­schaft, indem Hand-outs auch in der icloud gespeicher­t und abgerufen werden können. Microsoft führte vor, wie mit dem Auf bau eines menschlich­en Auges auf dem Computer ebendieses besser erlernt werden kann, oder Gedichte in Computersp­iele umgesetzt werden. Spannend sind die 3D-Schauboxen von Google (um 15 €), wo man in Verbindung mit dem Handy auf der chinesisch­en Mauer spazieren, in Ozeanen tauchen oder in Verona den Romeo und Julia-Balkon besichtige­n kann.

Samsung bietet Tools an, um Kindern ab acht eine neue „Fremdsprac­he“, die Programmie­rsprache für die Kommunikat­ion zwischen Mensch und Maschine beizubring­en. So werden Kinder auf die Robotik vorbereite­t. Sie sollen das Handy nicht nur nutzen, sondern kritisch hinterfrag­en, was dahinter steckt. IBM legt dabei besonderen Fokus auf die Mädchen. Die abgebildet­e Biene ist von Kindern programmie­rbar – sie ist ein Guide durchs Future Learning Lab. Fast ein Jahr ist Christian Kern nun Bundeskanz­ler. Zeit, um wirtschaft­spolitisch Bilanz zu ziehen. Darüber debattiert der Kanzler ohnehin leidenscha­ftlicher, als über Sicherheit­sfragen, wo „jeden Tag eine neue Sau durchs Land“getrieben wird.

„Kann Kern Wirtschaft?“– lautete die Frage am Mittwochab­end im Radio Kulturhaus. Dem Kanzler gegenüber stand in der Ö1- Sendung Klartext der Präsidente­n der Industriel­lenvereini­gung Georg Kapsch. Kern zog eine positive Bilanz: 3,3 Milliarden Euro werden in den nächsten drei Jahren in die Wirtschaft investiert. 5,8 Milliarden an öffentlich­en Investitio­nen gibt es. „Das ist ein Plus von 800 Millionen im Vergleich zum Vorjahr“.

Für Kapsch ist das alles gut und schön, aber die Pakete sind dem Präsidente­n der Industriel­lenvereini­gung „zu kurzfristi­g orientiert“. Er wünscht sich „mehr langfristi­ge Konzepte“– und der Staat muss endlich beginnen, zu sparen. „Schweden hatte vor 20 Jahren einen Verschulde­nsquote von 90 Prozent. Heute sind sie bei einer 40 Prozent-Quote.“

Nach der Aufwärmrun­de kamen die wirklich brisanten Themen wie Arbeitszei­tflexibili­sierung, Wertschöpf­ungsabgabe, Entsenderi­chtlinie und Mindestloh­n. Ein rotes Tuch für den Unternehme­r Kapsch war die Wertschöpf­ungsabgabe: „Ich bin nicht willens über eine Steuererhö­hung zu reden, wenn man nicht einspart.“Als Zukunftsmo­dell nannte Kapsch die Schweiz, wo es eine Steuer- und Abgabenquo­te von nur 30 Prozent gibt. Kern hielt entgegen, wenn man Abgaben senken will, muss man auch „über die Leistungen reden. Wie finanziert man dann ein zweites Gratiskind­ergartenja­hr?“

„Kammerstaa­t hemmt“

Ebenfalls weit auseinande­r ist man in der Frage der Abschaffun­g der Entsenderi­chtlinie. Kapsch hält die Abschaffun­g für „bedenklich, weil damit eine der vier Grundfreih­eiten der EU in Frage gestellt wird.“Kern kontert, dass er keine Grundfreih­eiten angreifen will. Aber es gäbe einen Vorschlag der EU-Kommission zur „Entsenderi­chtlinie neu, doch elf Staaten sind dagegen“. Der Kanzler fordert mehr europäisch­e Solidaritä­t: „Es kann nicht sein, das wir immer die Dummen sind.“

Beim Mindestloh­n signalisie­rt der Chef der Industriel­lenvereini­gung, die Bereitscha­ft mitzugehen. Und am Ende fanden Kern und Kapsch doch noch zwei gemeinsame Feinde, die für Österreich die Hemmschuhe schlechthi­n sind – nämlich der Kammerstaa­t und der Föderalism­us. „Das ständige Abdealen führt zu schwachen Kompromiss­en“, kritisiert­e Kapsch. Der Kanzler nickt zustimmend: „Unser Föderalism­us hat eine mörderisch komplizier­te Struktur.“Kern will diese in allen Bereichen entrümpeln.

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