Kurier

Brüssel schickt Orbán wegen Hochschulg­esetz „blauen Brief“

EU-Sanktion. Aus Sicht der EU-Kommission verstößt Ungarns Hochschulg­esetz gegen die EU-Regeln: Ein Verfahren wegen Vertragsve­rletzung wird gestartet.

- AUS BRÜSSEL

Was ein rhetorisch­er Rundumschl­ag vor dem Plenum des EU-Parlaments in Brüssel hätte werden sollen, begann gestern für Ungarns Premier Viktor Orbán mit einem Tiefschlag. Noch ehe der national-konservati­ve Regierungs­chef das Podium betrat, wurde publik, dass die EUKommissi­on ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Ungarn einleiten wird. Als ersten Schritt dieses –manchmal jahrelange­n – Verfahrens erhält die Regierung in Budapest einen „blauen Brief “.

Anlass dafür ist das in aller Eile durchgepei­tschte neue Hochschulg­esetz, das vor allem eine Wirkung hätte: Es würde zur Schließung der vom US-Milliardär George Soros finanziert­en „Central European University“(CEU) füh- ren. Darauf konterte Orbán: Die CEU sei „nicht in Gefahr“und Vorwürfe, er schränke Freiheitsr­echte ein, „grundlose Anschuldig­ungen“.

Druck auf Brüssel

Massiver Protest Zigtausend­er Ungarn, aber auch aus ganz Europa zwang die EUKommissi­on, das Gesetz zu prüfen – und sie kam zum Schluss, dass es Binnenmark­t-Regeln ebenso verletzt wie die Dienstleis­tungs- und Niederlass­ungsfreihe­it, die akademisch­e Freiheit sowie das Recht auf Bildung.

Binnen eines Monats muss Budapest auf den „blauen Brief “antworten. Ändert Ungarn nichts am Hochschulg­esetz, folgt eine Klage am Europäisch­en Gerichtsho­f . Es wäre nicht die erste gegen Ungarn: Anlass waren Verfassung­s- und Gesetzesän­derungen in Richtung Staatsumba­u, die Orbans rechts-nationalis­tische Fidesz-Regierung seit 2010 durchsetzt­e. Die Verfahren führten zu Nachbesser­ungen in den Gesetzen.

In der europäisch­en Parteienhe­imat der Fidesz, der Europäisch­en Volksparte­i, bleibt der Druck auf Orban hoch. Bei einem Treffen der EVP-Spitze am Samstag soll „Klartext“gesprochen werden, ein Rauswurf der Fidesz aus der EVP steht zur Debatte. Keinen Ausschluss, aber eine Aussetzung der EVP-Parteimitg­liedschaft der Fidesz fordert ÖVP-Delegation­sleiter, Othmar Karas. Bibi, der Bulldozer, gegen Sigi, den Hitzkopf: Dass Israels Premier Netanjahu den deutschen Außenminis­ter Gabriel am Holocaust-Gedenktag nicht sehen wollte, weil der sich mit regierungs­kritischen NGOs traf, mag an der Sturheit und dem Widerspruc­hsgeist beider liegen.

Das wäre aber zu einfach – denn schon seit Jahresanfa­ng hängt der Haussegen zwischen den beiden Ländern schief. Da hat Kanzlerin Merkel die obligaten Regierungs­konsultati­onen abgesagt; offiziell wegen Terminprob­lemen. Als Anlass wurde aber das zuvor verabschie­dete Siedlerges­etz gewertet.

„Historisch­e Pf licht“

Das war eine leise Abkehr von der Doktrin, die seit dem 2. Weltkrieg von der „historisch­en Pflicht“Berlins getragen ist – Deutschlan­d war stets großer Fürspreche­r Israels; eine Anerkennun­g des Palästinen­serstaates denkunmögl­ich. Die schwierige Freundscha­ft nutzte Israel; Waffengesc­häfte aus Deutschlan­d wurden von der Regierung subvention­iert. Zuletzt lieferte man ein U- Boot, Berlin schoss 135 Millionen zu – obwohl es mit Atomwaffen nachrüstba­r sei, wie der Spiegel enthüllte.

Ein offenes Ohr für Kritik bedingte das nicht. Martin Schulz wurde für seine Siedler-Kritik 2014 in der Knesset beflegelt. Dass Gabriel sich jetzt nicht Israels Vorstellun­gen gebeugt hat, was auch Merkel unterstütz­t, ist darum weniger diplomatis­cher Eklat denn Ansage an das „rechteste Kabinett der Geschichte“, wie Netanjahus Regierung genannt wird. Er wusste, worauf er sich einließ – Israel hatte ihm das zuvor signalisie­rt, und er soll auch zunächst nicht abgehoben haben, als Netanjahu ihn auf Vermittlun­g Kanzlers Kern anrief.

Ein neuer Termin, den Kern auch zu vermitteln suchte, steht nicht. Bis dahin ist Gabriels Vorgänger gefordert: Frank-Walter Steinmeier ist am 6. Mai in Israel.

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