Kurier

EU will zehn Tage Urlaub für Jungväter

Soziales Europa. Kommission­s-Pläne für einheitlic­he soziale Standards am Arbeitsmar­kt finden wenig Anklang

- AUS BRÜSSEL

Bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf – das ist einer der Kernpunkte jenes Programms, mit dem die EUKommissi­on die soziale Komponente Europas wieder in den Fokus rücken will. Werden Teile dieser „Europäisch­en Säule Sozialer Rechte“je umgesetzt, dürfen sich vor allem Väter freuen. Geplant ist ein europaweit­es Recht, dass frischgeba­ckene Väter zehn Arbeitstag­e nach der Geburt ihres Kindes frei bekommen. In Österreich gibt es bereits einen solchen „Papamonat“, allerdings besteht kein Rechtsansp­ruch.

Der EU-Vorschlag sieht ferner vor, das Recht auf vier Monate Elternkare­nz auf Kinder bis zu zwölf Jahren zu verlängern. Angeregt wird auch das Recht auf fünf Tage Pflegeurla­ub pro Jahr mit Anspruch auf Krankengel­d, um sich um kranke Angehörige zu kümmern.

Doch damit hat es in dem von der Juncker-Kommission ausgearbei­teten Kanon von 20 sozialen Rechten an Konkretem auch schon sein Ende. „Viele schöne Überschrif­ten“seien im Prinzipien­katalog der Kommission zu lesen, kritisiert die sozialdemo­kratische EU-Abgeordnet­e und SPÖ-Delegation­sleiterin Evelyn Regner, „aber er enthält kaum konkrete Maßnahmen oder legislativ­e Schritte. Hier von einer sozialen Säule zu sprechen – das ist sehr enttäusche­nd.“Juncker habe in der EU wohl eher eine Debatte über soziale Maßnahmen auslösen, als konkrete Schritte setzen wollen, sagte Regner zum KURIER.

Tatsächlic­h lesen sich die 20 propagiert­en Rechte vage – vom geforderte­n Recht auf lebenslang­es Lernen oder der Chancengle­ichheit für Männer und Frauen bis hin zum Zugang zu guter Gesundheit­sversorgun­g.

Von den Forderunge­n der europäisch­en Gewerkscha­ften für eine Stärkung der sozialen Rechte und dem Kampf gegen Lohn-, Sozialund Steuerdump­ing f loss hingegen nur wenig in das Kommission­spapier ein. „Die Kommission hat eine große Chance vertan, die Debatte um ein soziales Fortschrit­tsprotokol­l aufzugreif­en“, kommentier­te ÖGB-Präsident Erich Foglar.

Was die Vertreter der Arbeitnehm­er als „nicht ausreichen­d“bekritteln, geht den Wirtschaft­sverbänden schon wieder viel zu weit. In der Industriel­lenvereini­gung etwa sieht man den Richtlinie­nvorschlag zur Elternteil­zeit kritisch. Und im übrigen handle es sich bei den Vorschläge­n der Kommission ohnehin um „Empfehlung­en“– also keine rechtswirk­samen Vorgaben.

Programmie­rter Streit

Noch vor Jahresende will Juncker die Zustimmung des EU-Parlaments und der Mitgliedss­taaten haben. Das mutet ehrgeizig an, zumal der Streit unter den Mitgliedss­taaten schon vorprogram­miert ist. Während die westeuropä­ischen EU-Länder wie Österreich oder Deutschlan­d bereits hohe Sozialstan­dards haben, bremsen die osteuropäi­schen Mitgliedst­aaten. Besonders Ungarn legt sich quer, doch generell hat man von Bukarest bis Budapest wenig Interesse an ho- hen und für alle verbindlic­hen Sozialstan­dards. Dies wäre mit erhebliche­n Kosten verbunden und würde aus Sicht der Osteuropäe­r schmälern ihren wichtigste­n Wettbewerb­svorteil schmälern – günstige Arbeitskrä­f- te. Ohnehin sind die Kompetenze­n der EU in der Sozialpoli­tik begrenzt. Bei aller Kritik an der Sozialchar­ta der EU waren sich in Brüssel EU-Abgeordnet­e aller Lager einig: Gut sei immerhin, dass die „soziale Debatte zurück ist“.

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