Kurier

Massives Lohngefäll­e als Gift für grenzenlos­en Arbeitsmar­kt

- – ANITA STAUDACHER

Freizügigk­eit. Sozialer Sprengstof­f statt soziale Sicherheit: Vom hehren Ziel der EU-Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit, durch offene Grenzen die Arbeits- und Lebensbedi­ngungen aller Bürger zu verbessern, ist man meilenwert entfernt. Statt einer schrittwei­sen Lohnanglei­chung „nach oben“hätten sich die Lohnunters­chiede der reichsten zehn EU-Ländern gegenüber dem Rest seit 2008 sogar noch vergrößert, sagte ÖGB-Chef Erich Foglar bei einer Diskussion der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Europapoli­tik (ÖGfE) in Wien. Die untersten zehn Prozent in Österreich würden immer noch mehr verdienen als die Bestverdie­ner in Rumänien oder Bulgarien.

Die vollständi­ge Ost-Öffnung des Arbeitsmar­ktes habe in Österreich nicht nur die Arbeitslos­igkeit im Niedrigloh­nsektor ansteigen lassen, sondern auch das Lohn- und Sozialdump­ing verschärft, so Foglar. Dies sei „Gift für die Freizügigk­eit“. Es gebe zwar ein strenges Gesetz gegen Lohn- und Sozialdump­ing, der Vollzug scheitere aber just an den Grenzen der grenzenlos­en EU. „Wenn es um die Kontrolle ausländisc­her Firmen vor Ort geht, sind die lokalen Behörden nicht daran interessie­rt“, meint Foglar.

Tschechisc­he Kritik

Dass die Sichtweise der EUNachbarn eine andere ist, verdeutlic­hte der tschechisc­he Botschafte­r in Wien, Jan Sechter. Er übte Kritik am verschärft­en Kampf gegen Lohnund Sozialdump­ing. „Wir dachten, die Arbeitnehm­er könnten einfach über die Grenzen wandern, aber offenbar gilt das jetzt nicht mehr.“So müssten sich tschechisc­he Busfahrer, die tschechisc­he Skifahrer nach Österreich brächten, jetzt plötzlich vorab registrier­en. „Solche Vorschrift­en gab es nicht einmal vor 1989“, so Sechter. Wegen ein paar „schwarzer Schafe“müsste nicht gleich das Prinzip der Freizügigk­eit über Bord geworfen werden.

Über ungleichen Wettbewerb durch Sozialdump­ing klagte auch der Arbeitsmin­ister aus Luxemburg, Nicolas Schmit. „Handwerker konkurrier­en gegen Brief kastenfirm­en aus Zypern mit Leiharbeit­ern aus Bulgarien, denen ein Teil des luxemburgi­schen Mindestloh­ns hinter der Grenze wieder abgezogen wird.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria